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Am 4. Mai 1890 war für den in Pension tretenden 83-jährigen Herrn Pfarrer eine grosse Abschiedsfeierlichkeit anberaumt. Die Feuerwehren von Aflenz, Grassnitz und Thörl zogen in Parade in den grossen Hof vor dem Pfarrhof. Die Musiker spielten einige Stücke. Beinahe alle zur Pfarre gehörenden Bewohner waren zugegen. Herr Bezirksrichter nebst Amtspersonale, Steueramt, Bürgermeister, viele anwesende Bürger und die Werksbeamten von Thörl etc. machten ihre Abschiedsvisite beim Herrn Pfarrer, welcher dann herabkam und tief gerührt dankte, da auch Herr Dr. Fürst eine Abschiedsrede hielt.
Nach der Zeremonie wurde beim Bezirksgericht die erste gegründete Aflenzer Bezirkssparkasse eröffnet. Herr Dr. Euard Neuhold fungierte als Direktor.
Auf Anregung des hier wohnenden Herrn Dr. Kutschera, der sich für die Anlegung der neuen Spazierwege sehr interessierte, wurde ein Kurverein errichtet.
Nachdem nun bald Pfingsten heranrückte, kam mir wieder der Gusto, wie schon mehrmals, wieder nach Wien zu fahren. Mein Herr Sohn riet mir davon jedoch ab wegen meiner mehrfachen Unpässlichkeiten. Auch war wegen der ungestümen Witterung die Reise nicht ratsam. Als er aber sagte, dass zu Pfingsten Herr Major Plank mit seinen Schwestern, Frl. Domenika, nach Leoben kommen werde, so fuhr ich am 25. Mai dahin und hatte lange nicht mehr gesehene Verwandte meiner verstorbenen Gattin, Herrn Johann Maister, Hafnermeister in Pettau und dessen Gemahlin zu begrüssen. Sie kamen eben auf Besuch zu deren hübscher, freundlicher und mit einem gutherzigen Beamten zu Leoben verehelichten Tochter. Zur Bewillkommnung ihrer Eltern war auch sie am Bahnhof. Herr Plank und Mina kamen mit dem Abendzuge. Diese und ich wohnten bei der werten Familie Wawrinek, wo es allen vortrefflich ging. Herr und Frau Maister wohnten bei der Tochter.
(190) Die unfreundliche Witterung war auch hier so, dass nur Ausflüge in die nähere, dennoch herrliche Umgebung gemacht werden konnten. Am 27. Mai fuhren Herr Plank, Mina, Frau Wawrinek und Hans Sommeregger nach Vordernberg, machten von dort den vier Stunden weiten Weg zu Fuss zu dem berühmten grünen See und kamen abends wieder nach Hause.
Am 29. Mai fuhren Herr Plank und Frl. Mina nach Graz. Und weil ich nach zwei Jahren meine Vaterstadt wieder sehen wollte, fuhr ich mit der Bahn ebenfalls nach Graz und zurück und zahlte dafür 2 Gulden 8 Kreuzer. Ich speiste dort zu Mittag bei Kathi Stadler, Zimmermädchen beim pensionierten Oberst, Herrn Belegishanin. Während dem Essen entlud sich über der Stadt ein heftiges Gewitter, der Blitz schlug dreimal ein, ohne jedoch zu zünden.
Zweimal sass ich zu Mittag bei Herrn Plank. Ich benützte die Pferdebahn bis zum Hilmteich und zurück, besah auch die Warte auf der Höhe, und am Grab meiner unvergesslichen Gattin kamen mir die Tränen. Ich glaubte, im vernichteten Johanneum-Garten schon einige Neubauten zu erblicken, aber es war erst ein Haus zum Bauen angefangen.
Zwei Nächte schlief ich in der Wohnung der Frau Ressler, meiner im Jahre 1830 gewesenen Kranzljungfer. Sie war inzwischen 78 Jahre alt geworden, schon sehr altersschwach, und kam wegen Mattigkeit der Füsse seit mehreren Monaten nicht mehr aus dem Bette. Ich wurde bei ihr abends und morgens mit vortrefflichem Kaffee bewirtet. Ich wollte den Herrn Franz Kiebeger, Nachfolger des ehemaligen Seifensieders Knaupert Valentin besuchen. Da aber in dessen Haus um 7 Uhr früh noch Stille war und mir niemand begegnete, so war ich in der Meinung, es schläft noch alles oder jemand ist krank. Frau Ressler sagte mir, dass ihr Bruder Knaupert, Seifensieder in Leibnitz kürzlich verstorben ist. Er war 74 Jahre alt.
Am 31. Mai fuhr ich von Graz wieder nach Leoben, wo ich für Wawrinek 3 1/2 Tage lang mit Reparaturen schadhafter Nähschatullen und Kartandeln beschäftigt war. Ich sah dort auch zwei goldene Hochzeiten, eines Eisenwerksarbeiters ud eines Zimmermeisters. Am 4 Juni 1890 erlebte ich meine 83. Geburtstag und am 7. Juni reiste ich wieder nach Hause. Am 30. Mai ist Herr Maister samt Frau zurück nach Pettau gereist. Für Sonntag, den 8 Juni hatte ich drei Körbe Brennholz zu besorgen. Dann machte ich nach und nach Kuverts für die Aflenzer Sparkasse und den Kurverein. Der erwähnte Franz Kienberger starb am 22. Juni 1890, 59 Jahre alt, am Speiseröhrenkrebs.
(191) Am 31. Oktober 1890 schrieb ich wieder weiter an meinen Aufzeichnungen. Am 9. Juni kam ein Klafter Holz. Wenn Sträflinge vorhanden waren, hatten diese das Brennholz mit der Säge zu zerschneiden, welches ich dann mit der Hacke zerkleinerte. Seitdem jedoch Verpflegungsstationen errichtet worden waren, wo die reisenden Allmosenempfänger verpflegt wurden, kamen keine Bettler oder Vagabunden mehr zur Haft, und so kam die ganze Holzarbeit auf mich.
Dann und wann hatte auch der Herr Bezirksrichter einige Scheiter durchgesägt. Vom 9. Juni 90 bis Ende Oktober wurden 5 Klafter verbraucht. Am 13. Juni kam meine Enkelin Ella Hajek von Wien mit ihren Mädchen von 3 und 4 Jahren hierher auf Besuch. Diese Kinder hatten kurz vorher in Wien die Masern überstanden. Sie kamen hier in Waldes- und Gebirgsluft sehr zu Kräften.
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Montag, 21. Juni 2010
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