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Nach dem Schnee von Anfang November 1891 war die Witterung bis Mitte Dezember lau und angenehm. Viele Leute befürchteten, dass es nicht Winter werde, denn von Eisbildung war keine Spur und diese abnormen Witterungsverhältnisse waren wahrscheinlich schuld daran, dass die in vielen Ländern grassierende Krankeit Influenza auch in der Steiermark heftig auftrat. Wo sonst in Graz pro Tag 8 bis 12 Verstorbene in der Zeitung zu lesen waren, kamen kurz vor Weihnachten 1891 20 bis 27 Todesfälle vor. Diese Seuche raffte meistens Hochbetagte dahin und verschonte weder Rang noch Würden.
Am 28. Dezember ging ich nachmittags, da die Kälte mäßig war und kein Wind wehte, in das Leuthnersche Gasthaus »Zum Grünen Anger«. Dort trank ich ein Achtel Wein. Aber beim Nachhausegehen schüttelte mich eine gewaltige Kälte. Ich zitterte heftig und begab mich zu Bett, und sogleich empfand ich ein sehr schmerzhaftes Stechen und Reißen durch den ganzen Körper.
Zum Glück hatte ich gegen den zeitweiligen Krampf in den Beinen einen Gläger Branntwein vorrätig. Mit diesem rieb ich den ganzen Körper ein, soweit ich langen konnte. Nach 3 Tagen war alles Stechen und Reißen vorüber. Ich war nun sehr erfreut, in der Meinung, dass diese böse Krankeit überstanden war.
An Silvester abends um halbzehn kam die freundliche Frau meines Herrn Sohnes und rief an der geöffneten Zimmertüre: »Prosit Neujahr!«, worauf ich von ihr ein Glas warme Limonade erhielt. Als ich diese getrunken hatte, fing ein heftiger Husten an, der mir eine schlaflose Nacht bescherte. Die Frau Bezirksrichter sagte anderen Tages, dass der Husten ein Teil der Influenza wäre. Sie wissen es von ihrem ersten Bruder, Notar in Millstadt in Kärnten, welcher auch an dieser so peinlichen Krankheit gelitten habe.
Am Neujahrstag blieb ich noch im Bett und hoffte, der Husten werde wohl von selbst aufhören. Da er aber immer ärger wurde und ich bei Appetitlosigkeit ermattete, ließ mein guter Herr Sohn am 7. Jänner den Herrn Dr. Pölz kommen, der mir 9 Pulver verschrieb und Tee verordnete. Ich musste wieder zu Bett gehen, dabei hatte ich großen Durst und durfte nichts trinken. Nach Bier und Wein hatte ich kein Verlangen, sondern nach frischem Wasser. Alle Ärzte rieten, als Getränk Tee mit dem unter Wohlhabenden gebräuchlichen Cognac zu nehmen; aber ich konnte auf diese teure Spezies verzichten.
(204) Am 20. Jänner fühlte ich mich vom lästigen Husten ganz befreit. Die Furcht vor einer Lungenentzündung war vorüber und ich kam wieder zu Appetit, sowie zum ersten Wassertrinken.
Während dem heftigen Husten hatte ich noch 10 Pulver zu nehmen. Herr Dr. Pölz hatte hier im Orte selbst 200 Patienten zu behandeln. Als ich ihm am 2. Februar die Rechnung mit 5 Gulden bezahlte, sah er sehr angegriffen aus, da auch er gegen diese verwünschte Krankheit zu kämpfen und sich zu wehren hatte. Wie in den Zeitungen zu lesen war, sind an dieser bösartigen Krankheit sehr viele Leute – hoch in den Jahren – u. a. Kardinäle, Reiche, Generäle und Prinzen gestorben.
Ich hatte schon erwähnt, dass ich Frau Anna Resler versprechen musste, zu ihrem Begräbnis zu erscheinen. Zufällig las ich da am 16. Oktober 1891 im Grazer Tagblatt das Partezettel über das am 13. Oktober erfolgte Ableben der Anna Resler. Sie starb an Altersschwäche, 78 Jahre alt. Hätte ich hierüber von Graz eine Nachricht erhalten, ich wäre gewiss gerne dahin.
Die Nachwehen der überstandenen Influenza blieben bei mir nicht aus. Hören und Sehen ist bei mir seit Anfang März 1892 bedeutend schwächer. Wenn zwei Personen zwei Schritte von mir entfernt miteinander sprechen, verstehe ich kein Wort. Zeitung lesen ist schon eine Anstrengung, besonders da für mich kein Augenglas existiert. Es ist wohl traurig und schmerzlich, im hohen Alter alle Unannehlichkeiten durchzumachen.
Ach, wie viele Leiden können noch über mich kommen bis ich geendet haben werde!!
So wie ich mich in Graz und Aflenz mit Briefkuvert-Erzeugung beschäftigte, wollte ich dieses Geschäft auch in Knittelfeld versuchen, teils die Langeweile zu töten und teils, um für Schnupftabak und dann und wann für einen Schluck Wein noch etwas zu verdienen. Gegen Weihnachten 1891 hatte ich 1400 Kuverts verkauft. An den drei Feiertagen machte ich sehr viele Kuverts, in der Hoffnung, diese gegen Neujahr zu verwerten. Jedoch, wie erwähnt, machte die Influenza einen Strich durch die Rechnung. Ich machte und verkaufte nachträglich bis zum 1. April 1892 2840 Kuverts. Nachdem in Knittelfeld das brauchbare Papier hierzu nicht immer zu haben war, musste ich dieses schon zweimal von Graz kommen lassen.
Es schmerzt mich noch immer, dass ich meiner armen, am 11. Dezember 1882 verstorbenen, mir unvergesslichen Gattin den Argwohn und Zweifel an meiner unverbrüchlichen ehelichen Treue nicht nehmen konnte.
(205) Herr Buchbindermeister Kneschaureck, Buch- und Galanteriewaren-Händler außerdem Hausbesitzer am Hauptplatz in Knittelfeld, fragte mich, wofür ich die bei ihm gekauften Papiere benötige. Ich antwortete, dass ich für Herrn Bezirksrichter vieles zu rubrizieren habe. Es war freilich unwahr; ich mochte ihm ja nicht sagen, dass ich Briefkuverts mache. Bis 13. Mai brachte ich es im ganzen auf 6375 Kuverts und hatte erfahren, dass Herr Kneschaurek wegen meiner Beschäftigung auf mich sehr böse sei.
Zur Abwechslung fuhr ich am 14. Mai nach mehrfacher Einladung nach Leoben zu Herrn und Frau Wawrinek und blieb nur drei Tage dort, denn die Kuvert-Vorbereitung für die Pfingswoche trieb mich nach Hause. Ich hatte dann bis Samstag, 4. Juni vor Pfingsten wieder 1660 Kuverts verkauft.
Am 14. Mai verehrte ich Frau Wawrinek 150 Kuverts für Visitenkarten und 160 für Briefe. Am 18. Mai gratulierte ich Herrn Wawrinek zu seinem Namenstag. An Christi Himmelfahrt, 26. Mai, fuhr ich nach Judenburg zu Herrn Frank Egyd, Gastwirt »Zur Schönen Aussicht«. Ich wollte mich wegen der Töchter des Georg Dunkel, Bruder meiner Mutter, erkundigen, konnte jedoch nichts erfahren. Aus Spekulation nahm ich am15. Mai die Anzahl Kuverts mit, welche ich bei Franks Gästen und in drei Gewölben sogleich verkaufte. Mehr als nochmal so viele hätte ich anbringen können, wenn ich sie bei mir gehabt hätte.
Als unser Verwandter, Herr Johann Maister zu Pfingsten vorigen Jahres in Leoben war, wurde dort die Heirat seiner zweiten Tochter mit dem Lederhändler Lois Someregger beschlossen, und da Herr Maister meine Hinfälligkeit bemerkte, sagte er zu mir: »Wir werden uns schwerlich wieder sehen.«
Als er aber zu Pfingsten 1892 zum Besuche seiner Töchter wieder dahin kam, ergriff ihn doch die Sehnsucht, mich noch einmal zu sehen. Und so kam er am 10. Juni mit Herrn Wawrinek hierher, was mich unendlich freute. Ich hatte soeben einen Brief an ihn fertiggemacht, welchen ich ihm nebst zwei Landschaftsbildern: 'Stadt und Schloss Legovia in Spanien' und 'Stadt Janina in Griechenland' als Andenken von mir übergab.
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Donnerstag, 28. Oktober 2010
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