Donnerstag, 8. April 2010

60. Unsere goldene Hochzeit

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     Niemand kann meine Traurigkeit über diese Umstände ermessen, wir hatten doch schon alle Vorbereitungen zu unserer goldenen Hochzeit getroffen. Es war nun die grösste Vorsicht geboten, die Frau in guter Laune zu erhalten. Als die Enkelin Anna in Smyrna und ihr Bräutigam, Anton Messner, alle nötigen Schriften zur Verehelichung beisammen hatten, kam ein neuer Marine-Kommandant nach Pola, der eine Verheiratung seiner Untergebenen durchaus nicht gestatten wollte. Erst durch Vermittlung des Herrn Generalkonsuls in Smyrna kam die Bewilligung zustande. Wegen des zweifelhaften Zustandes meiner lieben, armen Frau wollten wir nicht länger warten und der 30. Mai 1880 wurde zu unserem Jubiläum bestimmt.

     Schon der Seltenheit wegen bei Schreibern wurde die goldene Hochzeit beschlossen. Zu dieser kam auch aus besonderer Hochachtung gegen uns die erwähnte herzensgute Karoline. Herr Meister von Pettau und dessen Sohn sandten delikate Schinken.

     (150)  Die Schwester des Herrn Major Plank verfertigte aus echtem Goldpapier eine schöne Krone und dazu ein prachtvolles, gesticktes Polster. Frau Anna Ressler, Tochter des erwähnten Valentin Knaupert, welche bei unserer ersten Hochzeit Kranzljungfrau war, kam auch, mit der Tochter und dem Schwiegersohn, Herrn Göbmer, welcher ein Fass guten Bieres spendete. Dann kam noch die sehr ehrenwerte Familie Wawrinek und unser Sohn Eduard.

     Die ganze Gesellschaft ist dann in sechs Wägen durch die Griesgasse über die Lend zur Kirche St. Andrä gefahren. Der Knabe des Sohnes trug auf dem schönen Polster die Krone bis zum Altar. Die vom Polster herabhängenden seidenen Bänder wurden an der Seite des Knaben von den kleinen Töchtern des Herrn Gröbmer und des Sohnes Eduard gehalten. Während des langsamen Zuges zum Altar ertönte vom Chor ein Choralgesang.

     Ich wollte, dass der Kaplan Posch die Trauung vornähme, aber der alte gemütliche Pfarrer wollte sie selber abhalten. Dabei erlaubte er sich den Spass, bei den gewöhnlichen Fragen der Liebe und Treue an meine, nun 79jährige liebe Frau die Frage zu richten, ob sie auch künftighin die ehelichen Pflichten erfüllen wolle. Nach glücklich vollzogener Zeremonie fuhren wir auf dem obigen Umwege zu unserer Wohnung.

     Eine sehr gefällige Nachbarin stellte inzwischen die Tafel her, wozu der Hausherr eine prächtige Torte spendete. Frau Redler kam nicht dazu, da sie von der Kirche weg mit der Familie Gröbmer der Karoline zuliebe eine weitere Landspartie unternommen hatte. Doch alle bei der Tafel waren guter Laune. Nachdem davon viel übrig blieb, veranstaltete die Tochter abends eine Nachhochzeit, wozu die Schwester des Hausherrn und mehrere noch im Hause wohnhaft und gegen uns immer freundlich gewesene Personen, darunter die Sollizitatorswitwe Belowitsch geladen waren.

     Die ganze Geschichte kam in Barem auf 90 Gulden, wozu Frau Redler, Frl. Karoline und unser Sohn zusammen 25 Gulden beisteuerten. Wie bereits erwähnt, wurde ich vom Dienste bei Dr. Reedi, bei dem ich 9 Jahre Sollizitator war, am 30. Juni 1880 enthoben.

     Infolge der vielen ausgestandenen Schrecken mit meiner armen Frau hatte ich seit dem 31. Juli 1876 in meinen Händen ein starkes Zittern, welches immer ärger wurde. Mit der Feder ging es schon so schwer. Ich erkannte, dass ich kein Schreibergeschäft mehr antreten könnte. Wo ich mich zu anderen Beschäftigungen erkundigte, hiess es immer, es gibt junge Leute genug, die den Vorzug haben. Wir waren also auf die Gutherzigkeit des Sohnes angewiesen. Im Juli war seine Frau nach langer Krankheit gestorben, so zogen wir am 12. August 1880 zu ihm.
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