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(159) Einst am Armenseelentag kam unsere Zimmerfrau, die Beamtenwitwe Koblitz, und bat um eine Hacke, um ihre unentbehrlichen Bettbretter zu Brennholz zerkleinern zu können. Als ich diese guten Bretter besah, war es mir nach gewohntem Sparsystem leid darum. Ich nahm sie, weil wir in unseren Betten mehrere sehr wurmstichige Bretter hatten, und versprach ihr gutes Brennholz. Ich hatte von meinen früheren Holzarbeiten noch einige Stücke Buchen, Eschen und Nussbaum in der Holzlage auf einer hohen Stelle aufbewahrt. Da ich nicht mehr dazukam, diese Hölzer zu verarbeiten, wollte ich dieselben Frau Koblitz überlassen. Als ich, um die Hölzer zu erlangen, auf eine Truhe stieg, schappte diese um und schlug mir auf das Schienbein. Als der Schmerz dann ärger wurde, zog ich die Stiefel aus und fand eine 6 Zoll lange und mit Blut unterlaufende Wunde und den Fuss ganz geschwollen. Ich brauchte wieder den Arzt und konnte 27 Tage nicht aus dem Haus. Die beiden Vorderfüsse waren lange Zeit verschwollen und ich konnte nur Tuchschuhe tragen.
Zu Pfingsten nächsten Jahres wollte ich und die Tochter den Eheleuten in Pola einen Besuch abstatten. Das Reisegepäck war schon bereit. Wie gewöhnlich hielt ich nach dem Mittagessen auf eine halbe Stunde ein Schläfchen. Ich fühlte nicht das mindeste Unwohlsein. Aber nach dem Jausenkaffee empfand ich unter den letzten Rippen so heftige Schmerzen, dass der Arzt kommen musste und ich 16 traurige Tage lang mit der unbegreiflichen – wie? – entstandenen Lungenentzündung zu tun hatte.
Im nächsten Jahr zu Pfingsten kam Messner von Pola mit Frau und Kindern – zwei liebe Mädchen von zwei und drei Jahren. Die liebe Familie blieb zehn Tage bei uns. Nachdem die sehr gross gewachsene talentvolle Enkelin Gabriele – gewöhnlich Ella genannt – die Handelsschule durchgemacht hatte, kam sie in das Galanteriewarengeschäft des Herrn Puff in der Herrengasse als Verkäuferin. Sie war daselbst mehrere Jahre und hatte zwei Sommer lang dieses Geschäft auch im schönsten Badeort Gleichenberg zu besorgen. Mittlerweile geriet Herr Puff bei den Fabrikanten August Klein in Wien so in Schulden, dass dieser auf dem Exekutionswege das ganze Warenlager und das Geschäft an sich brachte. Zur Ordnung derselben hatte Klein auch den Buchhalter Paul Hayek von Wien mitgebracht, welcher mit Ella die Handlung fortführte. Zwischen diesen beiden entstand mit der Zeit ein Liebesverhältnis, wonach Anfangs November 1884 in der Stadtpfarrkirche zu Graz die Eheschliessung erfolgte. Da es an diesem Tage sehr viel zu tun gab, wurde das Hochzeitsessen erst am nächsten Sonntag bereitet und verschnabuliert.
(160) Ich fand in Graz keine Gläser mehr, die wie gewöhnlich zum Lesen und Schreiben für meine Augen getaugt hätten. Für den Blick in die Ferne fand ich solche, denn fünf Schritte vor mir erkenne ich leider niemanden. Seit 18. August 1883 habe ich alles ohne Brille geschrieben und gelesen.
Mit dem erwähnten, seit 30 Jahren in Karlsbad ansässigen Optiker waren wir immer noch in Briefwechsel. Seine Freundschaft für uns ist wohl etwas Seltenes. Er hatte uns nach und nach folgende Preziosen verehrt: 2 schöne Tabakdosen mit Sprudelstein eingelegt und mit Goldgravierung zum Andenken, dann einen Sprudelstein als Briefbeschwerer; für mich als Kalt-Badender einen Thermometer, einen Kapuziner oder Eremiten mit hübscher Klause als Barometer, 20 verschiedene Ansichten von Karlsbad, eine Fotografie von sich nebst Frau und Sohn, dann zu unserer goldenen Hochzeit 2 hübsche Goldringe mit echten Steinen und eingraviertem Datum: «30. Mai 1880»!!!
Als ich ihm im November 1885 vier Landschaften vermachte (vor sechs Jahren hatte ich ihm das Bild des Biertrinkers gesendet), und ihm auch meine Not mit den Augen klagte, hat er mir als Weihnachtspräsent einen Zwicker mit Goldeinfassung – doch nur für die Ferne verwendbar – , dann eine Schachtel voll Oblaten, Karlsbader Spezialität, gesendet. Solche Gunstbezeugungen nenne ich doch echte Freundschaft und edle Gesinnung.
Bei einem fürchterlichen Sturm im Sommer 1885 wurde der erwähnte und zu riesiger Höhe gelangte Pappelbaum beim Ladenwirt mit allen Wurzen umgerissen. Die Wirtin jammerte, dass ihr dieser Baum nicht um 300 Gulden feil gewesen wäre. Mir selbst und jedem ihrer mit uns bekannten Gäste war es recht leid um diesen Baum als alten Freund.
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Montag, 19. April 2010
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