Sonntag, 18. April 2010

63. Gehörsturz und Schloss-Reisen

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     Als im Jahre 1880 die Industrie-Ausstellung eröffnet wurde, plagte mich die Neugierde, von aussen etwas sehen zu wollen. Ich ging an der verlängerten Jakominigasse beim Jakominikeller, als mich ein plötzliches Unwohlsein überfiel, wie wenn dies eine Mahnung gewesen sei, dass ich lieber zu Hause bleiben sollte. Nach einem Schluck Wein in obigem Keller war die Übelkeit vorüber. Ich stellte mich dann der Industriehalle gegenüber an einem Baum auf. Nach und nach wurde die Menge der Neugierigen um mich herum grösser. Die Feuerwehrmänner spannten Stricke von einem Baum zum anderen, um die Strasse freizuhalten. Da kam das uniformierte Bürgercorps und die Musikbande stellte sich jenseits des Strickes gerade vor mir auf. Ich war zwischen so viel Publikum wie eingekeilt und konnte nicht die Hand bewegen, um das Sacktuch zu erlangen, den Schweiss vom Gesicht zu wischen.

     Als nun der kaiserliche Prinz daherfuhr, schlug der mit der grossen Trommel so gewaltig in dieselbe, dass ich das Gefühl hatte, als gingen scharfe Messer an meine Ohren. Plötzlich war ich ganz taub. Mein linkes Ohr war schon länger Zeit schadhaft. Ich musste gleich beim Ohrenarzte Ninaus operieren lassen. Nach einigen Tagen war es wieder besser.

     (158)  Von der erwähnten Karoline Hauzendorfer wurde ich mehrmals ermahnt, wieder einmal zu ihr nach Kärnten zu kommen. Am 14. August 1883 fuhr ich nun mit der Rundreisekarte von Graz nach Marburg und Greifenburg, wo ich um 7 Uhr abends ankam und sehr gut empfangen wurde. Mit Herrn Hechenleitner, Ehegatte der Cousine Kerschbaumer, fuhr ich am 15. August nach Weissensee, wo wir uns baden wollten, aber wegen eben badender Damen nicht dazukamen. Nach einer Spazierfahrt auf dem sehr langen See und nach gutem Mittagsmahle fuhren wir wieder heim. Der Tag war sehr heiss und abends war der westliche Himmel mit drohenden Wolken bedeckt. Tags darauf war ein fürchterliches Donnerwetter mit strömendem Regen. Sonntas darauf war die feierliche Eiweihung der neuen Oberdrautaler Schützenhalle, wobei der Herr Fürst Rosenberg, Besitzer der Schlösser Greifenburg und Stein, Sohn des erwähnten Fürsten Rosenberg und der erwähnte Herr Taurer bezüglich des Schützenwesens begeisternde Reden hielten, wonach das heftigste Schiessen auf die jenseits des Gebirgsbaches aufgestellten Scheiben begonnen hatte.


     Sonntags fuhren wir, ich, die gute Karoline und Herr Hechenleitner, nach Dellach , besichtigten das restaurierte Schloss Stein (Bild oben) und die Holzdeckelfabrik (Bild unten) des Herrn Taurer. Gegen Abend bei der Rückfahrt war es sehr kühl , und die gute, feste, glatte Strasse zeigte keine Spur vom gestrigen schweren Regen.


     Ich war bloss vier Tage bei meinen lieben, werten Verwandten und hätte dort länger bleiben können. Aber die Arbeit zu Hause zog mich unwiderstehlich fort. Montag, den 19. August, 3 Uhr nachmittags ging die Fahrt nach Villach. Um 7 Uhr dort auf der Rudolfsbahn nach Leoben, weil ich dort bei der mit dem Lederhändler und Häuserbesitzer Sommeregger verehelichten Tochter des Herrn Wawrinek, aus erster Ehe, einen Besuch vorhatte.


Bis zum Schloss Hochosterwitz  war es noch völlig Tag. Da ging hinter dem Schlosse der Vollmond auf und die Nacht war da. Aber bittere Reue plagte mich nun, dass ich nicht in Villach über die Nacht geblieben bin und sonach die Fahrt nach Leoben nicht bei Tage nützte. Obwohl ich in der schönen Mondnacht meine Blicke nach aussen hatte, konnte ich von allen Städten und anderen Orten nichts wahrnehmen.

     Nachts um 12 Uhr war die Ankunft in Leoben. Mit einem von Gastein gekommenen alten Herren blieb ich im Hotel «Drei Mohren» über Nacht. Als ich andern Tages mich ins Fremdenbuch eintragen wollte, erstaunte ich: Ich trug nämlich seit 1853 Augengläser und konnte ohne solche nichts tun. Jetzt auf einmal sah ich durch dieselben garnichts, aber mit freiem Auge zum Schreiben sah ich besser. Der freie Blick in die Ferne war aber sehr getrübt. In Leoben (Bild) wurde ich von der Familie Someregger recht freundlich aufgenommen. Ich hatte diese schöne Stadt samt Umgebung von allen Seiten betrachtet, war zwei Tage dort und fuhr dann nach Hause.
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