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Ich habe meine zu Papier gebrachten Erlebnisse in der Fastenzeit 1886 durch den mit Buchbinderarbeiten sich befassenden Amtsdiener des k.u.k. Steueramtes in Aflenz einbinden lassen, und dieses Buch am 23. April 1886 an die Verwandten in Greifenburg gesendet, damit dieselben an den Ostertagen desselben Jahres etwas zu lesen hätten.
Hierauf erhielt ich von dort die Antwort, dass ich das Buch über den künftigen Winter dort belassen möge, da wegen zu viel Arbeit jetzt keine Zeit zum Lesen sei, wohl aber dann in den langen Winterabenden.
Nachdem zu Pfingsten wieder ein Vergnügungszug von Graz nach Wien angekündigt war, kam mir die Lust an, diese Fahrt mitzumachen. Vom Herrn Sohn Eduard erhielt ich als Darlehen zur Reise 10 Gulden. So fuhr ich per Post von Aflenz nach Bruck für 1 Gulden 20 Kreuzer. Da mir jedoch dort die Zeit zu lange wurde, nahm ich abends 7 Uhr am 12. Juni einen Platz im gemischten Zug nach Kapfenberg für 3 Gulden 13 Kreuzer, nachdem ich an der Station Bruck die Karte nach Wien und zurück für 5 Gulden gelöst hatte.
Im Gasthaus Marx blieb ich bis 10 Uhr. Um 12 Uhr nachts kam der Vergnügungszug und sauste dann sofort weiter nach Mürzzuschlag, wo ein kleiner Aufenthalt war.
In meiner Feldflasche hatte ich zur Erquickung bis Wien 3/8 Liter Wein von Bruck. Vorher schrieb ich an meine bei der Enkelin Ella, Maria-Hilfer-Strasse Nr. 41 befindliche Tochter Marie, verwitwete Schihab, wann ich kommen werde. Den Brief erhielt sie jedoch nicht. Um 5 Uhr, Pfingstsonntag früh, kam der Zug in Wien an, und ich fand ohne zu fragen bald mein Absteigequartier, wo alle über meine unvermutete Ankunft überrascht waren.
Ich hielt mich 13 Tage dort auf. Während dieser Zeit spazierte ich besonders im Prater viel herum, ungeachtet des Regens und der kalten Winde. Da kam mir der Gedanke, auf meiner Rückreise auch wieder nach Greifenburg zu reisen. So ging ich zum Südbahnhof und wollte eine Rundreisekarte von Bruck über Leoben nach Villach, dann zurück über Klagenfurt, Marburg, dann Graz und wieder nach Bruck. Am Südbahnhof erhielt ich jedoch die Auskunft, dass ich eine solche Karte auch in Bruck haben könne. Bei meiner Abfahrt in Wien traf ich am Bahnhof den Grazer Bauunternehmer Strohmeier und wir sprachen bis Bruck über manches. Wegen der Rundreisekarte hatte ich aber in Bruck Anstand, denn der Bahnhofskassier sagte, dass solche Karten nur in Wien oder Graz zu haben seien.
(171) Da ich den Verwandten Sommeregger von Wien aus benachrichtigte, dass ich heute nach Leoben käme, nahm ich eine Karte dorthin für 3 Gulden 42 Kreuzer und wurde am dortigen Bahnhof erwartet. Von den gemütlichen Eheleuten Sommeregger wurde ich freundlich empfangen. Als ich den Umstand wegen der Rundreisekarte dem Herrn Sommeregger erzählte, versprach er mir, dieselbe in Graz zu besorgen. Er würde andern Tags dorhin fahren, um bei dem Eheversprechen der Wawrinek'schen Tochter Elsa mit dem Finanzministerialbeamten, Herrn Maier v. Myrthenhain als Beistand zu figurieren. Abends kam Sommeregger zurück und gleichzeitig kamen auch der Mann meiner Schwester und die Frau seines Bruders von Spital in Kärnten auf Besuch. In den ersten drei Tagen meines Aufenthaltes bei Sommeregger wurde dort herrlich getafelt, und ich ergötzte mich an vielen Spaziergängen. Aber am Rückwege von Donawitz erlitt ich einen Schmerz im rechten Schenkel, weshab ich ihn mit Weingeist einreiben musste. Die von Sommeregger mitgebrachte Rundreisekarte kostete 9 Gulden 12 Kreuzer.
Am 29. Juni fuhr ich mit den kärntnerischen Schwiegerleuten von Leoben ab, und hatte das Vergnügen, die Rudolfbahn bis Villach bei Tage zu betrachten. Während der Stunde Aufenthalt in Villach besichtigte ich einen Teil der Stadt und die neu erbaute eiserne Bogenbrücke über die Drau.
Nach einem Imbiss – zwei Rundsemmeln und 3/10 Liter Bier zu 8 Kreuzer – nahm ich eine Karte separat für 1 Gulden 90 Kreuzer nach Greifenburg. Die Familie des Hohenleitner war wieder um ein Kind vermehrt. Die in Brixen geborene Stiefschwester der Luise Hohenleitner, ein kleines, sehr liebes und munteres Geschöpf, hat hier einen grossen, freundlichen und hübschen Lederermeister geheiratet. Die Handelschaft der Cousine Karoline Hauzendorfer geht ziemlich gut.
Da eben sehr viel Arbeit mit der Heufechsung war, fuhren wir zu einer eineinhalb Stunden entfernten Pachtwiese, von wo noch eine halbe Stunde weiter ein angenehmes Wannenbad nebst Jause benützt wurde. Da ich nach Pettau zu fahren vergessen hatte, so kam mir die Lust an, die Lederers-Waisen Steyrer in Mureck zu besuchen. Am 8. Juli früh fuhr ich mit Tour-Retour-Karte für 1 Gulden 6 Kreuzer um 7 Uhr von Leibnitz über Spielfeld nach Mureck, wo ich um 8 Uhr ankam und die Schwestern Anna und Therese Steyrer, nun etwa 55 - 60 Jahre alt, antraf. Sie erzählten mir vom Leichtsinn meiner älteren Schwester Marie, verwitwete Tesch, die alle ihre Einkünfte ihrem liederlichen Sohne, einem Schumacher, zusteckte und dabei selber Not litt.
(172) Als Frau Tesch dann kam, konnte ich nicht begreifen, warum ihr die Natur jetzt ein so unheimliches Hexenportrait gab. Sie schnatterte unaufhörlich und schimpfte auf alle Zustände, so dass mir die Lust zu einer Unterstützung verging.
Mit dem Zug um 12 Uhr 20 mittags fuhr ich direkt nach Graz, wo ich um 3 Uhr nachmittags ankam und sogleich die Frau Rexler besuchte.
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Donnerstag, 6. Mai 2010
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