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Nun nahte der 26. Juli heran, zu welchem ich 2 Damen, nämlich Frau Redler in Graz und Enkelin Messner in Pola zu gratulieren hatte. Ich trug die beiden am 20. und 21. geschriebenen Briefe am 23 Juli zur Post. Kaum etliche Schritte am Rückweg empfand ich im Unterleib entsetzliche Schmerzen, so dass ich sogleich den Arzt, Dr. Lichtenegger holte, der meine Leiden für einen Bruch erklärte und sehr bedenklich fand.
(177) Mein braver Sohn telegrafierte sogleich an den berühmten, bekannten Dr. Kutschera in Bruck. Da Dr. Lichtenegger vorher auf dem leidenden Teil herumknetete und mir die grössten Schmerzen verursachte, machte es der Herr Dr. Kutschera ebenso. Vorderhand waren Salben und Leinsamen-Köchl und Medizinen in Anwendung; dann wurden drei Blutegel angesetzt, um eine Menge schwarzes Blut herauszuzuzeln. Dann kamen kalte Umschläge mittels Eisbeuteln, wobei die emsige Frau Gemahlin meines Sohnes überaus freundlich tätig war. Medizinen und strenge Diät halfen mir nach fünfzehn Tagen aus dem Bett. Ich war wohl sehr abgemagert und matt, erholte mich aber wieder so weit, dass ich im Garten mithelfen konnte, obwohl mir die beiden Doktoren jede Anstrengung untersagten.
Herr Kohlfürst war der erste, welcher mich in meiner schweren Krankheit besuchte. Nun musste ich doch erzählen, woher ich den Ursprung meiner Leiden vermutete.
Als wir in Graz im Jahre 1853 oder 1854 von der Wohnung in der Klosterwiesgasse wegzogen und im ersten Sack Nr. 3 im 4. Stock 3 Zimmer bezogen und daselbst 19 1/2 Jahre zubrachen, benötigten wir in jedem Jahr 100 Zentner Stein-, sogenannte Braunkohle und 3 Klafter Holz. Nach meiner Berechnung kostete die Zerkleinerung der Kohle, das Expidieren derselben von der Gasse in die Holzlage und von da in den 4. Stock jährlich 10 Gulden. Aus Ersparnisrücksicht und weil ich noch ziemlich kräftig war und gerne arbeitete, tat ich dieses Geschäft allein, wobei meine gute, liebe Frau und die heranwachsende Enkelin mithalfen.
Ich und meine Gattin benützten jeden Sommer das kalte Bad hinter dem Rauch'schen Gasthaus «Zum Heiland» nächst der Kienreich'schen Papiermühle. Nach einigen Jahren bemerkte ich beim Baden an meinem Unterleib nahe der Harnblase zwei kleine Erhöhungen. Da diese jedoch nie schmerzten, achtete ich nicht darauf und machte hiervon auch gegen niemanden eine Erwähnung, selbst gegen meine arme Frau nicht, denn sie hätte bei ihrer höchst grundlosen Eifersucht leicht eine verdächtige Ursache herausgefunden. Das viele Holz- und Kohlentragen, dazu das viele Sitzen beim Schreiben, Zeichnen und Malen könnten das Übel veranlasst und die Gartenarbeit den Ausbruch desselben bewirkt haben. Da ich schon im voraus fürchtete, wie es mir gehen wird, wenn einmal der linksseitige Tippel am Unterleib zu rumoren anfängt.
Am 23. Juli 1886 kam eine neue Magd aus der Gegend bei Sachsenfeld in Untersteier als Köchin zu uns nach Aflenz. Diese stand seit längerer Zeit bei der Frau Bezirksrichtersgattin in Verdacht, dass sie bei der Verrechnung über Einkauf von Lebensmitteln nicht redlich und gewissenhaft zu Werke ginge. (178) Ende September 1887 wurde diese Köchin entlassen, und im Monat Oktober hat Frau Gusti Neuhold den Einkauf und die zubereitung der Speisen selbst besorgt.
Am 1. November 1887 übernahm diesen Dienstplatz eine Stieftochter des Arztes Winkler in Thurnau, nahmens Pauline, gross, schlank und zart, mit freundlichem, gefälligen Äusseren. Sie wurde von Herrn und Frau Neuhold sehr rücksichtsvoll behandelt, daher ich wieder nicht anders konnte, als mich der neuen Köchin dienstfertig und behilflich zu zeigen, indem ich ihr täglich 2 bis 3 Spritzkannen Wasser und 1 bis 2 Körbe Holz in die Küche schaffte.
Vom Zimmer der Köchin ging es hinein in das Speisezimmer, worin das Bett der früheren Mägde stand. Weil nun das fortwährende Klopfen und Fensterln der Burschen bei der Nacht der Frau Bezirksrichter schon lästig war, bekam die neue Köchin ihre Schlafstelle im ersten Stock bei den Kindern Hulda und Gretl Neuhold. Meine Schlafstelle hingegen wurde in das Speisezimmer hinabexpediert, damit das Erdgeschoss nicht ganz unbewohnt bliebe.
Nachträglich muss ich erwähnen, dass mich während meiner Erholung nach der beschriebenen Krankheit ein unwiderstehlicher Drang zum Dichten erfasste. Die Verse passte ich einer obersteirischen Melodie des Liedes «Das Hoamweh» an. Davon erteilte ich Abschriften der Frau Auguste Neuhold, dem Wirtssohn und Zitherspieler Pertl, einem Trompeter in Thörl, dem Gesangsverein in Aflenz, meiner Tochter Marie in Wien, Herrn Messner in Pola, Herrn Kohlfürst, dann dem hier als Sommerfrischler gewesenen Musiklehrer Stolz von Graz. Von beiden Letzteren erhielt ich besonders schmeichelhafte Anerkennungen.
Der Winter von 1887/88 war besonders schneereich und stürmisch. Überall lag der Schnee meterhoch, und in manchen Gegenden war wegen massenhafter Verwehungen die Kommunikation gesperrt. Im Frühling 1887 hatte der Telegrafenaufseher und kundige Gärtner Ziprian in unserem Obstgarten viele abgestorbene Stämme nd Zweige beseitigt, welche beinahe 4 Klafter in einer besonderen, luftigen Holzkammer aufgeschichtet wurden.
Schneiden und Zerhacken, Zerkleinern des Brennholzes wurde immer von Arrestanten besorgt. Waren jedoch zufällig keine Sträflinge vorhanden, so verrichtete ich obige 4 Klafter vom Garten, dazu drei Klafter Fichten, wobei ich für mein Alter wohl sehr angestrengt war und das Obstbaumholz körbeweise in den 4. Stock zu schleppen hatte.
(179) Nach dem Hinscheiden des Herrn Dr. Karl Watzka waren Ernestine und Karoline, zwei Schwestern der Frau Gemahlin des Sohnes Eduard mehrere Wochen bei uns in Aflenz und übersiedelten dann zu deren Bruder, Herrn k.k.Notar zu Millstandt in Kärnten.
Zur Tombola am Silvesterabend 1887 malte ich das Bild «Die Kaffeeschwestern», dann schnitzte ich einen Hampelmann und machte einen Wandkorb aus Pappendeckl. Das Bild gewann der Tischler und Glaser Waxenegger, der Hampelmann ging an den Lehrjungen des Tischlers Schreiber und den Wandkorb gewann Schreibers Gattin.
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Freitag, 14. Mai 2010
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