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Nun folgt eine Beschreibung meiner heftigen Krankheit, welche ich seit 24. Februar bis 9. April 1888 ausgestanden habe. Seit 12 Jahren quälte mich am Ende der untersten Rippen zeitweise ein Schmerz, welchen ich stets durch äusserliche Einreibungen mit Brandwein vertrieb. Wie bereits erwähnt, hatte ich am 24. Februar 2 Kannen Wasser in die Küche getragen. Als ich die zweite Kanne voll Wasser vom laufenden Brunnen abhob, packte mich der sogenannte Hexenschuss sehr gewaltig, an dem ich vor Jahren manchmal gelitten hatte. Da gleichzeitig wieder das Leiden an den untersten Rippen, aber stärker als früher sich einstellte und das Urinieren schon seit längerer Zeit nicht mehr in Ordnung war, so musste ich den Doktor holen lassen und mich zu Bett begeben.
Nachdem unten im Speisezimmer kein Kranker liegen kann, so hat mein Sohn mein Bett wieder in mein Zimmer im 1. Stock gebracht und meinen Ofen geheizt.
Dr. Lichtenegger war gleich da und verordnete Medizinen, nachdem er meinen Zustand an den Rippen als Leberleiden erklärte. Auf unbegreifliche Anordnung des Doktors musste ich mich auf den Bauch legen, und er knetete und püffelte mit aller Kraft auf meinen linken Hinterbacken so unbarmherzig los, wie der Becker beim Durchkneten einer Masse Brotteigs.
Ich schrie vor Schmerz und ersuchte den Doktor, mit seiner Arbeit aufzuhören, da es nicht mehr auszuhalten war. Was war nun schuld, diese unerklärliche Kneterei oder das unregelmässige Urinieren, dass nun in der Harnblase unsägliche Schmerzen entstanden? Ich erklärte gleich, dass das jetzige Leiden noch heftiger und länger sei, als dasjenige im August vorigen Jahres. Die grässlichen Schmerzen machten mich mehrmals bitterlich weinen. Auf den leidenen Teil kamen wieder Leinsamen-Köchl. Aller Appetit ging natürlich verloren und strenge Diät wurde wieder anbefohlen. Diät allein behagte mir. Dazu marterte mich ein grenzenloser, unlöschbarer Durst. So oft der Doktor kam, befühlte er meinen Puls und fand ihn stets in Ordnung. Ich wurde wieder entsetzlich mager.
(180) Ich hatte gewiss schon viele Gemälde und Statuen «Christus am Kreuz» gesehen, jedoch nicht so fleischlos wie ich war. In meinem ganzen Leben hatte ich nicht so magere Ostern wie diesmal, nichts als einfache Suppe und Wasser.
Vor einiger Zeit wurde ich nachts alle zwei Stunden wach, um Wasser zu lassen, aber jetzt ist das grosse Unglück eingetroffen, dass, wenn ich vor Schwäche in Schlaf fiel, der Urin von selbst ablief, ohne dass ich es wahrnehmen konnte. Sonach war das Bett samt Gattihose und Hemd durchnässt, wodurch ein sehr übler Geruch entstand. Das Urinieren am Tage ging nicht mehr in Strahlen, sondern nur tropfenweise.
Ich war matt und kraftlos, so habe ich mein Bett doch immer selbst aufgeriegelt und den Ofen selbst geheizt, denn ich musste fast täglich 2 - 3 mal Wäsche wechseln und konnte nicht verlangen, dass jemand anderer sich in der von mir und dem Bette entströmenden, widerlichen Atmosphäre aufhalte, wo doch alles durchnässt beim warmen Ofen getrocknet werden musste. Der hiervon entwickelte Salmiak schadete auch meinen ohnehin sehr geschwächten Augen. Ich studierte auf Vorkehrungen, um das Bettnässen zu verhindern und liess von dem Drechsler eine Röhre machen, durch welche der Urin unter der Bettdecke in einen Topf ablaufen konnte. Das unaufhörliche Speichelschlucken war überaus lästig. Von innerlicher Hitze war Zunge und Gaumen wie Leder trocken, ein unbäniger und durch nichts zu stillender Durst plagte mich entsetzlich.
Der Doktor gab mir konzentrierte Säure, wovon ich einen Kaffee-Löffel voll in einem Glas Wasser zu nehmen hatte. Alles war vergebens. Diese traurige Zeit dauerte so lange. Am 4. April 1888 abends äusserte sich der Höllenschmerz in der Harnblase noch sehr heftig und ... kam dann nicht wieder. Ich fühlte mich sehr erleitert. Der Appetit stellte sich wieder ein, und nach einigen Tagen konnte ich die Röhre entbehren und das Bett verlassen. Aber der entsetzliche Durst wollte nicht nachlassen. Ich trank Bier, Wasser, Preiselbeersaft, saure Milch, Buttermilch und Wein mit Sodawasser und hoffte mit der Zeit auf Änderung.
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Samstag, 15. Mai 2010
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