Nun kam wieder die Sehnsucht, nach Wien zu reisen, um die dortigen Angehörigen zu besuchen. Erst am 14. Mai fühlte ich mich soweit hergestellt, dass ich mich zur Reise entschliessen konnte. Am 19. Mai abends fuhr ich per Post nach Kapfenberg, nahm dort für 5 Gulden eine Tour-Retour-Karte und kam mit dem von Graz um 12 3/4 nachts ankommenden zweiten Vergnügungszug – eigentlich mit dem Postzug – um 1/2 7 Uhr früh am Pfingstsonntag am Südbahnhof in Wien an, wo mich die Enkelin Gabriele mit ihrem Gatten, Paul Hayek erwartete.
(181) Dieser Herr Hayek, von Wien gebürtig, ist ein findiger Mann. Er konnte mich über alle Gegenstände der in der Rotunde stattgehabten Industrie-Ausstellung aufklären. Wir waren mehrmals im Prater, einmal in Schönbrunn und auf der sogenannten Türkenschanze nächst Weinhaus, wo ich im Gasthaus «Zum Heurigen» noch den besten Wein, 1/4 Liter für 10 Kreuzer getrunken habe. Meine Tochter Marie, verwittwete Schidan, hatte sich schon sehr gefreut, dass sie mit mir viel herumspazieren werde. Wir waren per Tramway nur in Dornbach. Ihr eben wieder erwachtes Magenübel zwang sie ans Bett, wo ich sie am 1. Juni verliess. Nach etlichen Tagen erholte sie sich wieder.
Am 1. Juni mittags um 1 Uhr 20 fuhr der Postzug von Wien ab nach Graz, wo ich um 9 Uhr abends ankam und mich am Bahnhof die werten Eheleute Wawrinek erwarteten. Jeden 2. Tag war ich bei Herrn k.k. Major Plank als Gast, wo ich wohl herrlich lebte. Ich machte Besuche bei Tropez, jetzt Gastwirt zur Rose am Rosenberg, dann bei Frau Resler, meiner am 31. Jänner 1830 gewesenen Brautjungfer, nun 77 Jahre alt und kränklich. Dann war ich noch bei vielen Bekannten.
Als ich auf dem Berge Ries, 1 Stunde ausserhalb Graz an der sehr frequentierten Strasse nach Gleisdorf damals noch das vulgo Ladenwirthshaus innehatte, schmückte ich die beiden Gastzimmer mit mehreren von mir selbst in Aquarell erzeugten ländlichen Gasthausbilder, worüber sich die Gäste oft unterhielten.
"Kaffee-Schwestern" Original von Johann Neuhold bei Brigitte Winkler in München
Als ich diese Realität im Juli 1850 verkaufte, kamen nach drei Jahren die Eheleute Slawitsch aus der Gegend Stainz als dritte Nachfolger in den Besitz obiger Realität. Da ich zusammen mit meiner Gattin diese noch öfter besuchten und den bekannten Eheleuten besonders zugetan waren, malte ich für dieselben als Präsent und zum Andenken, dass ich einst Ladenwirt war, 13 Bilder, und zwar: Schlafende im Gasthaus, Spieler, Sänger, Abschied von der Herberge, die Rekruten, "Kaffee-Schwestern", die Altweibermühle, Keller-Weinschank, Zwei Gastgärten, die Jäger, Liebhaberei und zwei Bilder «Die Raufer», alles von mir selbst entworfen. Aus besonderer Liebhaberei malte ich diese Bilder auch für mich.
"Die Raufer" - Original von Johann Neuhold bei Brigitte Winkler in München
(182) So oft mir in Graz Bekannte begegneten, sagten sie zu mir: «Gestern haben wir beim Ladenwirt wieder Ihre Bilder bewundert»; diese Äusserung machte mir immer Freude.
Nun erzählte mir am 1. Juni 1888 Herr Wawrinek, dass die Ladenwirtin von einem Herrn für ihre Bilder, die doch kein Kunstwerk waren, 130 Gulden bekommen habe. Nach einigen Tagen ging ich zu ihr, um mich zu überzeugen und sie sagte mir, dass ein Herr Reininghaus, Besitzer des Schlosses Rabenstein, zwischen Peggau und Frohnleiten gelegen, ihr diese Bilder um 100 Gulden abgekauft und nach Rabenstein mitgenommen habe. Nachdem ihre Gäste über den Abgang der Bilder räsonierten und ihr mit dem Ausbleiben drohten, lamentierte die Wirtin dem nochmals erschienen Herrn Reininghaus so sehr vor, dass er ihr weitere 30 Gulden draufzahlte.
Ich wollte ihr die gleichen Bilder sehr billig verkaufen, aber sie wollte keine anschaffen, da sie gesonnen sei, die Realität innen und aussen zu reparieren und dann zu verkaufen.
Nachdem ich in Graz mehrere Aufträge zur Brief-Kuvert-Lieferung erhielt, fuhr ich am 9. Juni 1888 per Bahn nach Bruck. Auch bei Herrn Dr. Gmeiner erkundigte ich mich dort wegen Kuverts. Dann ging ich zu Fuss nach Kapfenberg, konnte aber dort keinen Platz im Postwagen erhalten. Da jedoch am Gasthaus Marx der Frachtwagen des Aflenzer Kaufmanns Trimmel stand, trug mir der Kutscher an, mit ihm zu fahren. Ich machte es mir so bequem wie möglich und kam um 7 Uhr abends wohlbehalten zu Hause an.
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