Mittwoch, 26. Mai 2010

75. ... wo wohl sehr viel geweint wurde.

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    Nun galt es wieder, allen Fleiss anzuwenden. Vom 10. Juni bis 29. Juli stand ich täglich um halbvier Uhr früh auf. Am 18. Juni sandte ich nach Graz 29 Pakete Kuverts à 25 Stück, am 12. Juli an Herrn Gmeiner 1600 Kuverts und am 29. Juli wieder nach Graz 1240 Kuverts, am 29. Juli dann an Herrn Kohlfürst in Pallersdorf 350 Kuverts. Inzwischen hatte ich für die Gebirgsvereinsektion Aflenz zur Orientierung für Sommerfrischler und Touristen 20 Plakate über den Markt Aflenz samt Umgebung auf Pappendeckel zu kaschieren, ausserdem 4 Pläne dieses Marktes.

     Zum Empfang der Sommergäste wurden alle Vorbereitungen getroffen. Es war wirklich zu bewundern, dass bei der fortwährend rauhen und unfreundlichen Witterung des heurigen Sommers noch jemand hierher anreiste. Und doch kamen sehr viele, die sich mehrere Wochen hier aufhielten und an den seltenen regenfreien Tagen nach allen Gegenden um Aflenz Ausflüge machten. (183)  Am 1. August kam selbst der Herr Statthalter Baron Kübek. Er wohnte im Pfarrhof und begab sich am 23. August wieder nach Graz.

     Im Frühjahr 1888 wurde eine pfarrherrliche, bergauf liegende, nahe Wiese als Spazierweg angelegt und mit Schlingpflanzen eingesäumt. Da jedoch unaufhörlich Wind herrschte und drei Wochen lang kein Regen kam, verdorrte der grösste Teil. Obwohl der September sehr schön war, entfernten sich die fremden Gäste nach und nach. Der im Oktober schon eingetretene Winter war im ganzen sehr streng, aber es gab wenig Schnee.

     Unbegreiflicherweise überfiel mich am 2 Februar 1889 plötzlich ein äusserst heftiger Katharr und ich musste leider wieder medizinieren. In der Magengegend fühlte ich Schmerzen zum Verzweifeln, und der Husten war so gewaltig, dass es mir vorkam, als wollte das ganze Eingeweide heraus. Nach drei Medizinen entsagte ich deren ganz und liess mir ein Leinsamen-Köchel bereiten, welches ich in der Gegend des Magens anlegte, wonach die grossen Schmerzen bedeutend nachliessen. Ich fühlte wohltätige Linderung und nur ein kleines Hüsteln hielt noch ein paar Wochen an.

     Anfangs Jänner 1889 hatte ich erst den Doktor für die Behandlung meiner erwähnten Krankheit mit 18 Gulden bezahlt. Die Ärzte kosteten 30 Gulden.

     Seit vielen Jahren waren wir in Graz mit dem Schuhmachermeister und Hausbesitzer Wawrinek bekannt, welcher mit Elise Fischer, einer Tochter der Schwester meiner Ehegattin, verehelicht war. Seine Tochter aus erster Ehe namens Marie heiratete den strebsamen Lederhändler Johann Sommeregger in Leoben, welche, wie erwähnt, Anfang 1880 an Magenbeschwerden litt und 1888 am Magenkrebs starb.

     Die erwähnte Tochter des Herrn Wawrinek aus der zweiten Ehe, namens Elsa, verehelichte sich im Jahre 1886 mit dem jungen Finanzministerialbeamten Maier v. Myztenhain. Sie gebar einen Knaben in Eien und starb am 4. März 1888 plötzlich wegen heftigem Blutandrang zum Gehirn.

     Die Gattin des Herrn Sommeregger war über die böse Krankheit ihres Mannes und über die Strapazen hierbei so ergriffen, dass sie lungenleidend in Bad Gleichenberg Hilfe suchte. Ihr Leiden wurde ungeachtet aller möglichen ärzlichen Bemühungen immer grösser. Endlich am 28. April 1889 wurde sie durch den Tod erlöst. Während ihrer schmerzhaften Krankheit waren Herr und Frau Wawrinek abwechselnd immer zugegen. Man kann sich die Trauer und den Schmerz des Ehepaares über den Verlust ihrer teuren Kinder vorstellen, für die sie wohl sehr bedeutende Opfer gebracht hatten.

     Da mein Sohn, der k.k. Bezirksrichter in Aflenz, dessen Amtsgeschäfte zu Anfang und am Ende jeden Monats mehr zeitraubend sind, zum Begräbnis der verstorbenen 40 Jahre alt gewesenen Frau Marie Sommeregger nicht kommen konnte, so fuhr ich allein nach Leoben, wo der Leichenzug am 30. April, 5 Uhr abends nach dem sehr entlegenen Kommunalfriedhofe zog, (184) wo wohl sehr viel geweint wurde.

     Von Graz waren auch Herr Major Plank und Kaufmanns Frau Hellmann zugegen, welche tags darauf wieder zurückfuhren. Ich aber blieb noch einen Tag und fuhr um 6 1/2 früh per Bahn für 42 Kreuzer nach Bruck und dann per Post für 1 Gulden 40 Kreuzer und 20 Kreuzer für den Postillon nach Aflenz.

     Frau Wawrinek ist laut Testament ihrer Stieftochter als Erzieherin und Herr Wawrinek gerichtlich als Vormund der 5 lebhaften und intelligenten Kinder, 2 Knaben und 3 hübsche Mädchen, bestimmt worden. Das Lederhandelsgeschäft wird von Alois Sommeregger, Bruder des Verstorbenen, auf eigene Rechnung fortgeführt.
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