Zum Schlosse Gösting gehörte auch das Bräuhaus daselbst. Und nach ein paar Jahren sagte Graf Attems zum gewesenen Briefträger: «Höre, lieber Mathias, nachdem unser Bierführer gestorben und du zu seinem Bedienten viel zu gross und zu stark bist, so glaube ich, du sollst, wenn du Lust hast, die Stelle eines Bierführers übernehmen», wozu nun Mathias Neuhold auch gleich entschlossen war, und dieses Geschäft mehrere Jahre besorgte.
Ihm gefiel jedoch die Abwechslung, und so überahm er nachher den nämlichen Dienst im Möstl'schen, nachher Jaggl'schen Bräuhause in der Sterngasse am Gries in Graz, bei welcher Gelegenheit er auch den Gasthof Krone in der Landhausgasse mit Bier zu versorgen hatte, und daselbst mit seiner nachherigen Braut bekannt wurde, deren Lebensgeschichte ich doch auch hier vorausschicken muss.
Gleich ausser St. Leonhard am Fusse des Berges Riess, rechts Gemeinde inner Ragnitz, steht dermal noch ein kleines, ebenerdiges Haus, welches vor Zeiten dem herrschaftlichen Amtmann Dunkel gehörte, und welcher mit 3 Knaben und 4 Mädchen gesegnet war.
Als die Eltern frühzeitig starben, ehe eines von den Kindern versorgt war, so kamen Letztere an die nächsten Verwandten: Matzl und Bindermichl, und bei Nachbarn in der Ragnitz teils in Versorgung und teils in Dienst.
Das stärkste und stämmigste dieser drei Mädchen, Maria, kam nachträglich als Küchenmagd zum Flossmeister Grengg in Graz, der damals ein sehr stark besuchtes Gasthaus hatte und in der Küche 4 Mägde beschäftigte, deren jede Marie oder Mirzl hiess. Und da auf den Ruf der Herrenleute die Mägde nicht wissen konnten, welcher der Befehl und der Auftrag anginge, so hiess es immer: «Kleine Mirzl, lange Mirzl, schwarze Mirzl, dicke Mirzl».
Die dicke Mirzl – Maria Dunkel – kam später in die Gasthausküche zur ungarischen Krone in der Landhausgasse, wo der Provisor der benachbarten Apotheke zu Bären in der Herrengasse, Herr Ehrler, als täglicher Gast speiste und an der dicken Mirzl überaus Gefallen fand, und sie mit Liebes- und Heirats-Anträgen beehrte.
(4) (Vielleicht wundert Ihr Euch, dass da immerwieder einmal Zahlen in Klammern erscheinen. Die geben mir die Seitenanfänge in der Schreibmaschinenvorlage an) Die dicke Mirzl konnte aber in ihrer ländlichen Einfalt nicht begreifen, wie ein so feiner, vornehmer und nobler Herr ein so einfaches Landmädel zur Gattin erwählen könne, lachte über seine Scherze und liess sich von der Meinung nicht abbringen, dass er sie nur zum Besten halte. Und obwohl er ihr unzählige Male versicherte, für sein ganzes Leben nur sie und sonst keine heiraten zu wollen, oder wenn er von ihr verschmäht würde, konnte sie doch seinen Schwüren,die – wie sie sich zu spät überzeugte – doch aufrichtig und redlich waren, nicht trauen, sondern schenkte ihre Zuneigung dem vorerwähnten, riesenstarken, nur 33jährigen Bierführer, der die Kraft hatte, einen Halbstartin Wein allein von einem Ganter zu anderen zu heben.
Da er einige hundert Gulden erspart hatte und die dicke Mirzl, mit dreiundzwanzigeinhalb Jahren noch unter Vormundschaft des Landmannes Tauser in der Ragnitz befindlich, auch am väterlichen und mütterlichen Erbe etliche Gulden besass, so vereinigten beide im Jahre 1804 ihre Herzen und Hände samt Vermögen, erkauften in der Harrachgasse ein ebenerdiges Häuschen, worauf sie eine Gastwirtschaft betrieben hatten.
In der nämlichen Gasse hatte jener Kapellmeister Süssmeier, welcher einst das berühmte Mozart'sche Requiem ergänzte, eine bescheidene Behausung, und Frau Süssmeier wurde als intime Freundin der neuen Eheleute zur Gevatterin erwählt.
Mathias Neuhold hatte einen Stiefbruder, Josef Friedl, welcher im Markte Mureck in Untersteier eine Schmiede und ein grosses Gasthaus besass. Da Friedl allein beide Wirtschaften nicht ordentlich besorgen konnte und sich nicht verehelichen wollte, so kam er nach Graz und redete den obigen Eheleuten zu, die Besitzung in der Harrachgasse zu verkaufen und in Mureck sein im besten Flor stehendes Gasthaus in Pacht zu nehmen. «Schau,» sagte Friedl, «hier müsst ihr euch um ein bescheidenes Dasei sehr plagen und bei mir könnt ihr zu Vermögen kommen; ich werde nie heiraten, und euer übriges Geld nehme ich als Darlehen, um mein Schmiedhandwerk grossartig betreiben zu können». Er wusste dieses Projekt so angenehm wie möglich zu malen, dass Maria und Mathias Neuhold sich überreden liessen, ihr Eigentum verkauften und im Herbst 1807 nebst zwei Kindern nach Mureck zogen.
(5) Sie machten dort mit dem Einkehrgasthause wirklich gute Geschäfte, wozu Maria Neuhold, die immer in grossen Gasthäusern bedienstet war, besonders Freude und Geschick besass. Aber im nächsten Fasching kam Fiedl in den Sinn, ein Weib zu nehmen, welche das Geschäft selbst betrieb; daher die Pächter auch nicht länger bleiben konnten und sich wieder nach Graz sehnten. Um das dem Friedl im Vertrauen ohne Schrift und ohne Zeugen geliehene Geld mussten sie gegen ihn Prozess führen, welchen sie durch die von ihm abgelegten falschen Eide gänzlich verloren.
In Graz angekommen, mussten die pfändlich um ihr Vermögen geprellten Eheleute als Taglöhner sich selbst samt Familie fortzubringen suchen. Mathias stand mit der Hacke am Lugeck und wartete auf Hozarbeiten und Maria Neuhold besorgte Bodenweib-Geschäfte.
Unter solcher Not wurde die Familie noch um ein Stück vermehrt; denn am 4. Juni 1808 kam ich in einem Kürschnerhause auf der Lend zur Welt. Und wer nur etwas vom armen Familienleben kennt, wird begreifen, was es heisst, bei einfachem Taglohn ein Schöckl Kinder zu ernähren. Dazu kam noch, dass meine Mutter, Maria Neuhold, bei aller Gutherzigkeit eine unfriedliche Eigenschaft besass und gerne zankte. Kaum in eine Wohnung eingezogen, haderte und raufte sie schon mit den Nebenparteien, so dass in den nächsten Tagen wieder ausgezogen werden musste. Und obwohl sie selbst sagte, dass dreimal wandern schlechter, als einmal abbrennen sei, konnte sie ihre Streitlust und Rauflust – als sie noch jung war – nicht lassen. so kam es, dass wir bald hier und bald dort logierten.
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