(9) Als 1809 die Franzosen in Graz waren, befand sich darunter auch ein Fleischer Valentin Knaupert, der jüngste von neun Brüdern aus Zweibrücken. Als es dem Feinde hier sehr wohl gefiel, blieben beim Abzuge derselben manche heimlich zurück. Auch Knaupert wusste sich bei dem dicken Fleischer Hieber einzuschmeicheln, dass er dort Beschäftigung fand, um täglich zur Kundschaft Höck eine schöne Butte voll Fleisch zu tragen hatte.
Dort verliebte er sich in die Küchenmagd Anna Dunkel, und bald darauf wussten beide unweit der Lederei die sogenannten Gassenbauer Realität zu erwerben, worauf sie heirateten und die Gärtnerei betrieben.
Auf der der Lederei gegenüber befindlichen Lösenbaum- oder Rohrbacher Mühle befand sich ein sehr hübscher Oberjunge, welcher mit dem Höck'schen Zimmermädchen Elise ein Herzensbündnis geschlossen hatte, jedoch sein Leben beim Brand dieser Mühle im Jahre 1811 verlor. Als diese Mühle wieder hergestellt und daselbst der neue Oberjunge Peter Kocher bedienstet wurde, ward dessen Herz zur Höck'schen Köchin Therese gezogen, und aus dem Dechtelmächtl dieser beiden Liebenden entkeimte im Jahre 1814 eine Rose, die auf den Namen Caroline getauft wurde.
Statt des Valentin Knaupert hatte nun ein anderer Knecht des Hieber, Josef Hauzendorfer aus Greifenburg in Oberkärnten, täglich das Quantum Fleisch zum Höck'schen Hause zu tragen. Und da sich das Zimmermädchen Elise in der Trauerzeit über ihren beim Mühlbrande verunglückten Geliebten durch den noch hübscheren, Krausköpfigen Kärntner gerne und wirksam trösten liess und Hauzendorfer nach dessen Vater ein eigenes Anwesen in der Heimat zu übernehmen hatte, so wurden aus vielen Tröstungen Heiratsanträge.
Je näher die Verehelichung heranrückte, je schwerer wurde es der Lisi ums Herz, da sie nun Schwestern, Heimat und den Ort, wo es ihr so wohl erging, verlassen müsse und 39 Meilen von hier zu lauter fremden Menschen kommen soll.
Hauzendorfer kaufte ein Pferd samt Kalesche, und nach vollzogener Trauung im Jahre 1813 musste bei der Reise dieser jungen Eheleute nach Greifenburg mein Vater als Kutscher fungieren und dann zu Fuss zurückwandern. (10) Er erzählte dann, dass er in seinem Leben nicht so viel Weinen sah und über die Zukunft jammern hörte wie bei Elise; denn eine unbegreifliche Ahnung quälte sie, dass ihr grosses Leiden bevorstünden.
Im Jahre 1813 starb in der Karlau im zweiten Hause unterhalb der sogennnten steinernen Brücke rechts die Schneidermeisterin Rupp und hinterliess einen besoffenen Mann mit sieben Kindern. Und da meine Eltern ein Eigentum erwerben wollten, der Wittwer Lorenz Rupp das Verlassenhaus feilbot, und die Kaufbedingnisse günstig waren, so wurde der Handel mit 1350 Gulden oder 540 Gulden conc. Münze bald abgeschlossen. Die intabulierten Schulden wurden übernommen, der alte Rupp sollte lebenslänglich freie Wohnung haben und jedem Kinde derselben waren bei deren erreichter Grossjährigkeit 92 Gulden Wiener Währung auszuzahlen.
Zu Ostern 1813 zogen wir in die neue Besitzung, worauf meine Eltern in Kompagnie mit Knaupert ein Handelsgeschäft mit Kastanien unternahmen, welche dann meine Mutter im gebratenen Zustande am Griesplatze verkaufte.
An der Türe des Bodenzimmers, worin ein verehelichter Tuchmachergeselle aus Mähren wohnte, stand neben C.M.B. auch der Vers: «Immer wird es schlimmer, aber besser nimmer; aus 1750».
Der Tuchmacher wurde gekündet und das Zimmer zum Kastanienmagazin verwendet. Da wegen des Krieges um diese Zeit alles Militär abwesend war, mussten die Zivilisten die Wache besorgen, und so stand auch mein Vater gar oft mit der Hellebarde an der steinerenen Brück als damalige Acciss Linie.
Nun betrat ich – fünf Jahre alt – wieder die Schule, hatte ziemliche Anlagen, sodass ich in meinem siebten Jahre durch Briefeschreiben bei den Nachbarn Geld verdiente.
Drei Söhne des Schneiders Rupp waren bereits beim Militär und im Kriege. Michael, der älteste und solideste bei der Landwehr Feldwebel, Josef Grenadier und Lorenz beim vaterländischen Regiment Chasteler. Der vierte Sohn, Franz, hinkte und verlegte sich aufs Betteln und Stibitzen. Die älteste Tochter Lise betrat den Weg des Lasters. Maria kam aufs Land in Dienst, und Kathi, acht Jahre alt, wurde vom nächsten Bäcker Haas aus Barmherzigkeit aufgenommen.
(11) Aber mit dem alten, täglich besoffenen und im Rausche furchtbar excedierenden Rupp hatten meine Eltern eine schreckliche Plage, und sie dachten auf Mittel, seine und seines intabulierten Wohnungsrechtes los zu werden. Daher versprachen sie ihm, als er einst halbbeduselt in guter Laune war, ein für allemal 20 Gulden zu geben, wenn er sich eine andere Wohnung suche.
Der Alte in der Voraussicht, sich einen guten Tag abzutun, nahm den Vorschlag und die 20 Gulden an, unterschrieb mit Zeugen die Löschungserklärung und somit wurde die Höllenpein beseitigt.
Der alte Rupp war aber in der Wahl der Wohnung oder Liegerstatt nicht heiklich, denn bald lag er in einem Stalle am Heuboden oder Düngerplatze, den Unterhalt fand er beim Ausbessern fremder Kleider, welche auch manchmal auf Nimmerwiedersehen von ihm versetzt wurden und er den Erlös vertrank. Seine Äusserung des Wohlbefindens war der seelenvergnügte Ausdruck: «Hog tschariwari tschun tschum, hog tschariwari tschum!»
Der Sohn Michael kam mit Abschied vom Feldzuge heim und schenkte mir einen Soldatenfrack, von welchem ich die Aufschläge abtrennte. Mein schmutzig graues, leinernes Beinkleid machte ich mit 2er Hosenschwärze manierlich und in diesem Aufzuge auf geflickten Bundschuhen kam ich zur Firmung.
Zum Firmpaten wählte ich den nächsten mit der Rohrbacher Tochter verheirateten Wagnermeister Josef Besler; denn da er reich und kinderlos war und am Klavier sehr kundig und sich bei mir eine Freude zur Musik regte, war ich der Meinung, da schaut doch was raus und er werde mir vielleicht Unterricht am Fortepiano geben. Weit gefehlt, Besler war ein Knicker, als Patengeschenk gab er drei Silberzwanzger, die vom Brand der Köstenbaummühle noch Spuren hatten. Ich musste ihm dafür für das Frühstück täglich Kipferln vom Bäcker holen und tat dies auch gerne. Ich lernte die schönsten Verse, um dem Paten und seiner Gemahlin zu Neujahr, Geburtstag und Namenstagfesten zu gratulieren, und erhielt dafür dann und wann ein halbes Kipferl. Da mir dieser Geiz nicht gefiel, unterliess ich die weiteren Kratzfüsse.
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Sonntag, 20. Dezember 2009
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