Peter Kaufmann wurde sehr dick und fett und starb als Benefiziat des Siechenhauses in Graz gegen Ender der 70er-Jahre. Da es in der zweiklassigen Pfarrschule für mich nichts mehr zu lernen gab, erwirkte ich den Besuch in der Normalschule in der Stadt, wo ich wohl bedeutende Fortschritte machte. In der Zeichnungsabteilung wurden jedoch nur Blumen, Arabesken und Architektur gelehrt; mein Hang war nach Figuren und Porträts, worüber nur in Privatstunden Unterricht erteilt wurde.
Im Jahre 1820 ging ich zu einem alten Herrn Reichmaier in die Flötenschule. Dieser Herr gab noch zwei anderen Kindern, den Brüdern Josef und Martin Eder und dann dem Wirtssohne Schmölzer Unterricht. Meine Eltern – obwohl nicht bei Vermögen – wollten, dass ich studieren soll. Ich aber war der Meinung, dass alle, die studieren, Schwarzröcke werden müssten, was mir durchaus nicht passte, da ich gerne tanzte und hübschen Kindern sehr in die Augen guckte. Mit meinem Flötenstudium wurde es sehr bald gar; denn, weil ich nicht sogleich die besten Steirischen hören lassen konnte, Instruktor und Noten den Eltern zu kostspielig und sie stets ohne grössere Geldmittel waren, musste ich nach drei Monaten den Musiklehrer aufgeben. Meine Flötenmitspieler – Martin Eder wurde Oberst der uniformierten Bürgerwehr, Josef Eder produzierte sich noch viele Jahre als Flöten- und Guitarre-Spieler und Schmölzer ging nach sechs Jahren Unterricht als Virtuose auf Reisen und wurde nachher als Güterinspektor und gefeierter Komponist Vorsteher des Mürzthaler Sängerbundes.
Ich profitierte von meinen Anfangsgründen doch so viel, dass ich fast jede Melodie nach dem Gehöre und Noten aufsetzen und die mir vorgelegten leichten Stücke einstudieren und spielen konnte.
Mit vierzig ging Johann Dunkel, Sohn des Vetters aus Hartberg, als Kostgänger bei Josefa Gruber, Schwägerin derselben, dann Jos Pilz, Stiefsohn des Schmiedemeisters Wacker am Gries, und Josef Wadiasch, Sohn einer Schwester des Hacker, in die Normalschule. Wir Viere waren unzertrennliche Freunde. Josef Dunkel wurde aber von seinen Eltern ganz verzogen, hatte immer Geld im Überfluss zur Verfügung und führte uns nach der Schule in das Gasthaus zu Bier, Salami und Käse und abends ins Theater.
(26) Einst machte ich ihm Vorwürfe über seine Geldverschwendung, da kam ich aber schief an. «Schau», sagte er, «wenn Dir das gute Leben nicht recht ist, so werde ich statt deiner schon einen andere Kameraden finden.» Nun dachte ich wohlweislich stille zu sein; denn sonst wäre mein Liebstes, das Theater, in Verlust geraten.
Wenn ich früh zur Stadt in die Schule ging, hatte ich stets einen Korb voll Verkaufs-Artikel meiner Mutter auf den Kapaunplatz zu tragen, lernte da dann aus meinen Büchern am Glacis, wo ich nebstbei den militärischen Übungen gerne zusah.
Der erwähnte Herr Erler war nun Inhaber der Mohrenapotheke in der Murvorstadt und sehr vermögend, und kaufte das zu seinen Mahlzeite nötige Geflügel stets bei meiner Mutter aus treuer Erinnerung seiner Jugendliebe, und sagte ihr sehr oft: «Du bist halt immer noch meine liebe dicke Mirzl.» Wenn ich dann zufällig zugegen war, musste ich die von ihm gekauften Hühner, Tauben, Spanferkel etc. in seine Küche tragen, wofür ich jedesmahl einen Silberzwanzeger erhielt.
Einst sass ich am Sonntag Nachmittag neben meiner Mutter beim Fenster, und ich sah die vornehme Welt nach Puntigam, ein vielbekannter Erholungsort bei Graz, kutschieren, als der Apotheker Erler in seiner prachtvollen Equipage vorbeifuhr und meine Mutter bitterlich zu weinen begann. Nach vielem Zureden, mir den Grund ihres Kummers anzugeben, sagte sie endlich: Ja, in dem Wagen könnte jetzt sie mitfahren und eine vornehme Frau sein, wenn sie sich den Heiratsanträgen des Herrn Erler gefügt hätte. Und da er sie aus alter Bekanntschaft am Kapaunplatze täglich besuchte und zeitlebens ledig blieb, und sie sich wohl stets nach einem besseren, sorgenfreien und ruhigeren Leben sehnte, mochte sie ihren Irrtum wohl einsehen.
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Mittwoch, 30. Dezember 2009
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