Im ersten Semester der vierten Klasse ging mir jedoch die Geometrie und Gesellschaftsrechnung nicht in den Kopf. Und da diese Gegenstände im 2. Jahrgange noch strenger waren, trat ich aus der Schule, um mich irgendeinem Handwerk zu widmen. Ich hatte zufällig nicht mehr so viel Zaster wie ehedem, sondern im ganzen Vermögen nur 2 Gulden und bat den Herrn Zeichenlehrer, mich vorderhand auf 1 Monat in die Privatschule zu nehmen. Ich trat ein, lernte die Anfangsgründe von Augen, Nasen, Ohren und zeichnete bald einen krausen Knaben und einen lockenreichen Damenkopf.
(27) Auf mein Verlangen, den vor dem Schüler Hiebler, dem Fleischerssohn mit der Hasenscharte, befindlichen langbärtigen Eremiten kopieren zu wollen, durfte ich an diesem studieren. Zu Ende des Monats war ich damit fertig und der Zeichenlehrer profezeite mir, dass ich, wenn ich so fortfahre, gewiss ein geschickter Porträtmaler werden würde. Ich hatte aber leider kein Geld, die Zeichenschule fortzusetzen, und meine Eltern konnten oder wollten nichts ausrücken. Zu Hause aber zeichnete und malte ich drauf los, machte zierliche Krippen, die ich am Niklai-Markte verkaufte und einstmals an zwei Tagen zusammen 15 Gulden einnahm.
Ich musste auch fleissig dem Handel nachgehen, ging in die benachbarten Dörfer und in das Kainachthal bei Mosskirchen zum Einkaufen von Tauben, Hühnern und Spanferkeln, konnte aber diesem Geschäfte durchaus keinen Geschmack abgewinnen.
Wir hatten im Hause einen Schneider Franz Schwarzbartl von Jahring in Windischbüheln gebürtig, als Zinspartei, welcher mit seinem Weibe auch für die Monturs-Kommission arbeitete. Zur Zeitausfüllung half ich da, Holzmützen, Gamschen, Hemden und Gattien nähen, und kam in der Schneiderei schon so weit, dass ich einen neuen Sommerspenser für mich – bis auf Knopflöcher und bügeln – allein verfertigte.
Als ich einst eben meines Vaters Hose reparierte, kam zufällig Franz, der Mutter Bruder von Wien, und hielt mir eine Strafpredigt, warum ich nicht schon lange bei einem Handwerker in der Lehre sei.
Ich war schon recht erwachsen aber seit meiner frühen Kindheit nicht so recht gesund und konnte – unfähig am ernsten Denken bezüglich der Wahl eines Berufes – zu keinem Entschluss kommen. Ich konnte in alles dreinpfuschen und hatte Lust, Schauspieler oder Maler, Kellner, Bildhauer oder Steinmetz zu werden. Die Nachbarn rieten bald dies, bald jenes Handwerk, und doch war nichts entschieden. Selbst meine Wallfahrt mit dem Vater nach Maria Zell, wo ich um Erleuchtung bezüglich meiner Standeswahl beten wollte, war ohne Wirkung.
Da ich aus besonderer Vorliebe zur Kunst ein Maler werden wollte, bewog ich endlich die Mutter, mich zu einem braven Meister in der Malkunst zu führen. Unglücklicherweise kamen wir zu einem alten Herrn Streicher, der uns in diesem Fache als berühmter Mann angeraten wurde. (28) Ich hatte schon das Vorgefühl der Freude, endlich einem Maler in Ausübung der Figuren- oder Landschaftsmalerei zuzusehen. Aber welche Enttäuschung! Der Künstler Streicher hatte eben ein hölzernes Friedhofkreuz angestrichen und erzählte uns dann mit Pathos, welche Paläste und Kirchen er schon gemalt, wie oft er vom Gerüst gefallen und sich die Hand oder den Fuss gebrochen und so weiter. Er verlangte fünf Jahre Lehrzeit und monatlich 8 Gulden Kostgeld. Da mir nun dies zu kostspielig und wir den Künstler zu armselig fanden, zerfloss meine Idee, ein Maler zu werden im Nebel.
Von Wien kam einst unser Kapauner Geschäftsfreund Prüker zu uns, und da er meine zahlreichen, an allen Zimmerwänden befindlichen Zeichnungen und Malereien besah, machte er den Antrag, mir durch seine Verwendung den kostenfreien Unterricht in der Wiener Akademie zu verschaffen, wenn nur meine Eltern imstande wären, das Kostgeld und die Kleidung daselbst zu bestreiten. Dafür könnte ich bei meinen Talenten zum Künstler herangebildet werden. Ich war bei meiner Redearmut unfähig, meine Eltern für diesen Plan zu gewinnen. Und da sie überhaupt alle Kosten scheuten und für die Ausbildung vorhandener Naturgaben keinen Sinn hatten, so musste mein Genie verkümmern.
Ein Tischler Matschek hatte uns so lange versprochen und zugesprochen, dass ich beim Tischlermeister Fessler in die Lehre kam. Aber da er nicht viel Arbeit hatte, ein grober Kumpan und selbst in Not war, und ich am immerwährenden Kimderloken, dann Heizen zum Leim- und Frühstückkochen schon satt hatte und – zu Hause gehätschelt – das Heimweh bekam, blieb ich nur 6 Wochen.
Wie ich schon von der Heimreise der Tante Hauzendorfer erzählt habe, war das gute Einvernehmen mit ihrem Mann in Greifenburg nicht von langer Dauer. Er hatte neun heimliche Liebschaften aufgestöbert, lehrte in seiner Verblendung den eigenen Kindern auf die Schlampe bezüglich Lieder, und kränkte seine Frau derart, dass sie wieder weg und zu uns zog.
Nach zwei Jahren kam von Greifenburg ein Weissgerbermeister, erzählte vom jetzigen soliden Leben und Benehmen des Hauzendorfer und von dessen Sehnsucht nach der Gemahlin, und wusste durch Vorspiegelung der gebesserten Verhältnisse, Tante Elise zu bestimmen, wieder nach Hause zu reisen.
(29) Der Weissgerber kaufte am Egidimarkte zwei kleine Schimmel und einen überbrauchten, offenen Wagen. Und nachdem die Habseligkeiten gepackt und die Fahrt über Judenburg zum Besuche des Vetters Georg Dunkel projektiert wurde, so durfte ich zur Dekoration diese Partie mitmachen. Nachmittags fuhren wir fort, blieben in Köflach über Nacht, und früh nach einer Andacht in der Lankowitzer Kirche ging es über die Stubalpe, meine erste Gebirgsreise.
Abends kamen wir nach Judenburg. Elise hielt sich dort einen Tag auf und begab sich dann mit dem Weissgerber über Unzmarkt und St. Veit nach Hause. Ich blieb drei Wochen beim Vetter Georg, wo es mir sehr gut ging. Ich malte ihm zwei Zimmer aus, machte mit ihm Partien nach Maria Buch, Dietersdorf und Knittelfeld und erzählte von meiner Maria-Zeller-Reise.
Lederer Frank, Bruder der Mam Dunkel, führte mich in mehrere der vierzig Gasthäuser, wobei ich die Bemerkung machte, dass er mit hübschen, drallen Kellnerinnen gern ein Gspusi hatte.
Von dem vier Stund weit entfernten Gusterheim ging alle Wochen ein Bote mit Briefen und Gepäck nach Graz, und alle dahin zu Fusse Reisenden schlossen sich ihm an, da er die nächsten Wege über die Stubalpe wusste.
So ging ich Anfang Oktober 1821 mit diesem Boten nebst noch dreizehn Wanderern um sechs Uhr früh von Judenburg fort. Als wir gegen Abend nicht weit von Lankowitz entfernt waren, überraschte uns ein tüchtes Schneegestöber. Unser Führer – das Unheilvolle eines solchen Sturmes ahnend – suchte mit uns Zuflucht im nächsten Bauernhause, wo wir über Nacht am Heuboden lagen. Und als wir den anderen Morgen fort wollten, war das ganze Gebäude bis an den Dachtrauf verweht. Wir mussten beim Dachfenster hinaus über die festen Schneemassen zu kommen trachten, aber kaum hundert Schritt weit war der gangbare Weg frei.
Der junge Dunkel besuchte noch immer die Normalschule, und zu Ostern 1822 nahm er mich mit nach Hartberg über acht Tage auf Ferien, wo wir die Zeit nur mit gutem Essen, Trinken, Pistolenschiessen und Landpartien zubrachten.
Am Christabend 1823 ging ich mit Pilz und Wadisch zur Mette. Im Nachhausegehen nahmen wir uns vor, am Stefanitage mitsammen ins Theater zu gehen. Und als die Mutter am Christtage von der Frühmesse heimkam, erzählte sie, dass das Theater brenne !!!
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Sonntag, 3. Januar 2010
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