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(114) Im Feber 1845 wanderten wir fort über Radkersburg nach Mureck, übergaben dem Webermeister Semler die Kommission wegen Verkauf unseres Hauses und fuhren dann mit dem Murecker Boten nach Graz, wo wir bei Marie, der Schwester meiner guten Frau, verehelichte Fischer, einstweilen Unterkunft hatte. Nun galt es, Beschäftigung zu suchen. Da ich wegen meiner schmerzhaften Hand in keinen Kanzleidienst eintreten konnte, suchten wir nach allen Seiten ein Gasthaus zu kaufen. Bei unserem Herumstöbern führte uns das Schicksal auf einen Berg bei Graz – die Ries – eine Stunde ausser der Stadt und handelten um das auf einem schönen Aussichtpunkte befindliche Ladenwirtshaus, welches ich schon von der Zeit her kannte, da ich als Schulknabe hier vorbei nach Hartberg auf Ferien kam. Das Gebäude samt beiläufig 2 Joch Grundstücken und einigen alten Obstbäumen kostete 2600 Gulden CMze (Convertierte Münze). Nach Übernahme der darauf liegenden Haftschulden hatte uns meine Schwester Aloisia, verehelichte Resch, Geflügelhändlerin in der Herrgottswiesgasse zu Graz, zur Tilgung des Kaufschilling-Restes und zu dringenden Bedürfnissen einstweilen ohne Schuldschein 1000 Gulden geliehen. Wir hofften, unser Haus in Mureck bald anzubringen, und aus dem Erlös die 1000 Gulden an Resch zurückzuzahlen.
Ich marschierte wieder nach Mureck (auf die Landkarte klicken), wo ein Bauer aus Gosdorf unsere Einrichtungsstücke samt Hobelbank und Werkzeug aufpackte und auf die Ries führte. Unterwegs kehrten wir in einem Gasthause am Leibnitzer Felde ein. Als ich am 23. Februar, 4 Uhr früh von dort bei grimmigster Kälte fortging, hat auf dem Wege bis Wildon meine arme Nase durch Frost sehr gelitten, sodass die Röte derselben für immer verblieb.
Am 25. Februar 1845 hatten wir den Gasthausbetrieb übernommen, aber so viel Mühe wir uns gaben, das Geschäft zu heben, es wollte uns nicht gelingen. Nachträglich hatten wir erfahren, dass der Vorfahrer Ertl, nebenbei Revierjäger des Herrn von Haidegg, sich um die Wirtschaft nie viel kümmerte, und dass seine junge, hübsche Frau ihre besonderen Liebeleien hatte, wodurch das Geschäft ganz vernachlässigt wurde. Das Gasthaus geriet so beinahe in Vergessenheit.
Unsere Bekannten von der Stadt, die an schönen Sonntagen uns gerne besuchten, waren nicht sehr zahlreich und konnten uns nicht aus der Klemme helfen. Reisende und Hebräer machten nur kleine Zechen. Das Haus in Mureck hatten wir wegen Mangel eines Käufers noch nicht verkaufen können. Auf der Realität hatten wir 3700 Gulden CM (= Convertierte Münze) zu verzinsen.
(115) Nebenbei befasste ich mich mit der Binderarbeit, machte wieder Wasserschäffer, Waschzuber, Krautbottiche etc., und reparierte zur Zeit der Obstmosterzeugung die Fässer bei den Nachbarn und arbeitete auch als Tischler.
Wie gerne hätte ich meine Kenntnisse im Schreibgeschäft verwertet; aber hier ging jeder, der was brauchte, zur Herrschaft.
Ich hatte 60 neue Obstbäume bei unserer Besitzung gepflanzt, wovon aber mehr als zwei Drittel gestohlen wurden. Nebst dem Brunnen hatte ich einen klafterhohen Pappelbaum eingesetzt, welcher sehr rasch emporschoss und von allen Gegenden zu sehen war.
Zu den mit dem Hause übernommenen 7 Tischen verfertigte ich noch sehr viele weitere nebst Stühlen und Bänken. Das sehr schadhafte Strohdach des Wirtschaftsgebäudes musste ausgebessert werden, der Kuhstall neu gewölbt und mit neuer Türe versehen werden. Auch die Dreschtennen mussten ganz neu gemacht werden, was alles grosse Kosten verursachte.
Der 14 Klafter tiefe Brunnen hatte vor Zeiten eine auf 4 Säulen ruhende Bedachung, dazu auf langer Kette hängende und über ein Rad laufende Wassereimer.
Bei dem einst an diesem vormals aus Holzladen gezimmerten Hause – daher die Benennung «Ladenwirt» – entstandenen Brand fiel die brennende Bedachung des Brunnens in diesen hinein und niemand scherte sich darum. Als einst uns und den Gästen das Brunnenwasser auf einmal sehr übel schmeckend vorkam und nach Kohlengas gerochen hat, auch das ganze Leitwerk schadhaft war, versuchten wir mit Kraft-, Zeit- und Geldaufwand das 10 Schuh hohe Wasser im Brunnen auszuschöpfen und die noch darin durch Hinabfall festgekeilten, halb verbrannten Hölzer herauszubringen.
Drei Klafter lange Leitern, eine zwei Eimer haltende Kurbel nebst langem Seil, dann zwei ganz neue Röhren, wozu das Lärchenholz gar vom Schöckel geholt wurde, und ein zweites Vetil etc. mussten angeschafft werden.
Aber was sechs flinke Taglöhner von früh bis spät abends mit dem Kübel drei Tage lang herausschöpften, zählte nichts, denn der unterirdische Wasserlauf war zu stark.
Wir konnten nicht alle unter Wasser gesteckten Hölzer mit grösster Anstrengung und Lebensgefahr herausbringen, und die ganze Arbeit samt Material nebst neuem Druckgeleite hat 80 Gulden gekostet. Das Wasser war jedoch wieder besser.
(116) Im Brunnenhaus war es so kalt, fast wie in einer Eisgrube, daher war im Sommer auf neunlangen Stricken ein grosses Fleischquantum mehrere Tage lang gut erhalten.
Wenn am Sonntagnachmittag die Leute scharenweise über den Berg heraufkamen, machte ich an dieselben ehrfurchtsvoll die ergebendste Einladung, meine gewiss vortrefflichen Getränke an Bier und Wein nebst schmackhaften Speisen zu versuchen. Aber es war zum todärgern, wenn ich die Antwort erhielt, sie gingen nur so spazieren, und ich dann zusehen musste, wie sie alle beim benachbarten Fuchswirt hineinströmten!!!
Oh Pech über Pech! Nach und nach kamen doch Soldaten von Windischgrätz Chevazlegers, darunter war ein Mann namens Vogel. Der trank nachmittags 14 halbe Bier und sein Kamerad Stiglitz 18 Halbe. Diese zwei waren Deutsch-Böhmen und die ärgsten Biersäufer. Die einheimischen Grenadiere hingegen waren gern gesehene Gäste.
Nachdem wir hier bereits zwei traurige Jahre verpassten und bei aller Rührigkeit eine jährliche Einbusse von 400 Gulden erlitten, kam mir, um mehr Gäste heranzuziehen, endlich der Gedanke, hier wie schon in Mureck ein sogenanntes Krippenspiel mit mehr als 300 beweglichen Figuren zu verfertigen. Ich schnitzte, pappte, malte Tag und Nacht. Als dies hier bekannt wurde, kamen mehr Besucher zu meiner Arbeit; das Fertigwerden sowie der Betrieb der Vorstellung wurde mit Ungeduld erwartet.
In zwei Monaten, während welcher Zeit ich jede Nacht nur eine Stunde geschlafen hatte, war ich fertig Die Materialien hiezu hatten uns 16 Gulden gekostet. Nun kamen häufig Gäste von allen Seiten. Während ich im Extrazimmer einen Teil der schaulustigen Gäste mit der Vorstellung eine halbe Stunde unterhielt, hatten indessen die darauf Wartenden im allgemeinen Gastzimmer gezecht. Manchen Sonntag musste ich die Vorstellung vier bis fünf mal beginnen. Ich war mit 1 - 6 Kreuzer pro Person zufrieden, was jeder nur gab, wenn das Geschäft nur vorwärts ging. Wenn alle Gäste gewissenhaft gewesen wären, hätten wir auch etwas erübrigt.
Ich musste die sogenannte mechanische Vorstellung innerhalb regieren und zugleich explizieren, wozu ich den Text fast durchaus in Reimen zusammenstellte. Jeder Besucher war zufrieden. Es gab Familien, die das Krippenspiel schon mehrmals gesehen hatten und deshalb doch wieder gerne kamen.
(117) Nebenher bemühte ich mich, die Gäste mit Anekdoten, Deklamationen und komischen Liedern mit Guitarre-Begleitung zu unterhalten, während meine liebe Gattin in der Nähe emsig beschäftigt war und die Tochter Marie mit Luise Plank die Gäste bedienten.
Ich habe sehr viele Lieder dem Geschmack meiner Zuhörer anpassend selbst verfasst. Wenn ich auf der Flöte Walzer oder Polka spielte und Marie mit der Guitarre taktmässig dazu stimmte, wurde oft bis Mitternacht getanzt.
Wenn verschleierte Damen gekommen sind und diesen Jux sahen, begaben sie sich mit der Äusserung: «Ach, da geht es aber gemein zu ...» in das Extrazimmer. Als sie aber den alle Gesellschaftsklassen ansteckenden Jubel wahrnahmen, hielten es die zarten Damen nicht mehr aus, legten Hut und Schleier ab und tanzten ebenfalls in höchster Lust mit, selbst dann, wenn ich zur Guitarre mit dem Munde alle Tänze pfiff, wobei ich mit der Zunge die schönsten Triller und Variationen machen konnte.
Wir hatten jährlich durchschnittlich 600 Personen, Handwerksburschen etc. gegen sehr billige Unterkunft über Nacht. Ordinäre Liegestätte im Haus oder am Zimmerboden mit Strohsack, Polster und Decke um 4 Kreuzer, ein gutes Federbett im Extrazimmer zu 12 Kreuzer.
Die Felder hier waren sehr sandig mit schwachem Humus. Die darauf zur übrigen Zeit aufgelesenen Steine wurden zur Strassenschotterung verkauft.
Im Jahre 1847 kam wieder eine unangenehme Begebenheit über mich. An beiden Seiten einer Linie der inneren Fläche der rechten Hand zeigten sich feine schwarze Punkte, wie mit Bleistift betupft. Ich achtete nicht weiter darauf, aber in einigen Monaten hatte ich bemerkt, dass diese Punkte in die Tiefe gingen. Ich habe sogleich unseren Arzt Wagner gefragt, ob und wann diese Punkte werden eine Bedeutung haben und er sagte mir: «Lassen Sie sich nicht auslachen, dies hat alles nichts zu bedeuten». Wieder nach mehreren Monaten bemerkte ich aber, dass die zwei Punkte immer tiefer wurden, die Linie fast holzig wurde und der Nebenfinger nicht mehr gerade war wie früher.
Der Arzt hat sogleich Salben verschrieben, aber der Nebenfinger zeigte immer mehr und mehr einwärts, ohne dass ich dabei Schmerzen empfand.
Von Ostern 1845 an habe ich den leidenden Oberarm täglich längere Zeit mit kaltem Wasser frottiert und nach ein paar Jahren wurden die Schmerzen weniger.
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Montag, 1. März 2010
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