Montag, 8. März 2010

50. Die Welt des Theaters

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     Bei dem Hause in der Körblergasse wollten wir eine Gärtnerei errichten. Da wurde meine arme Frau, die sonst sehr gesund und robust war, recht krank und wir gaben den Garten in Pacht.

     (124)  Nachdem ich auf der Ries meine rechte Hand fleissig mit kaltem Wasser bearbeitete, kam es mir so vor, dass ich wieder schreiben könnte. Ich machte dann mit ganz kurz gefassten schriftlichen Ansuchen meine Aufwartung bei den damals bestandenen 17 Advokaten und wartete geduldig auf eine Anstellung.

Unsere Gartenpächter hatten eine grosse Tochter; ein Sohn war Schneider und dann Feldwebel beim 27. Infanterieregiment und der zweite Sohn war Lehramtskanditat. Als dieser hörte, dass ich von jeher grosse Freude zum Theater hatte, sagte er, dass er mich unentgeltlich hineinbringen könne und da ging ich mit. Da führte er mich in den Kammersaal, wo die Ankleidung der Statisten vor sich ging und wir beide machten die Rollen der Statisten mit. Mir war zwar nicht um den Silbersechser für jede Mitwirkung zu tun. Mich interessierte hingegen, das Leben und Treiben hinter den Kulissen zu beobachten, wie der Theater-Oberintendant Ritter von Pittoni, der geistliche Oberarzt von dem Barmherzigen Spitale, der Kunstgärtner Schröfl jun. und sonstige angesehene Herren und Damen des Schauspiels und der Oper die Cour machten, wie sie mit allen möglichen Erfrischungen und seltenen Blumen aufwarteten und wie der Direktor fluchte und mit all seinem Personal lärmte und zankte.

     Da war ein Schauspieler namens Burggraf, der Fürsten, Könige und Kaiser darstellte. Wenn er von der Bühne abtrat und noch mit dem Purpurmantel angetan in sein Ankleidezimmer ging, wurde er von seinen Gläubigern heftig bestürmt.

     Der dicke Opernsänger Roth hatte ein vertrautes Verhältnis mit einer schmächtigen Choristin, worüber einst die anderen Choristinnen während der Oper «Der Prophet» hinter den Kulissen ihre Glossen machten. Herr Roth stellte diese Glossenmacherinnen zur Rede und diese beschwerten sich beim Direktor Thome, welcher den Roth mit den gröbsten Titulierungen beehrte, worüber ein gegenseitiges heftiges Beschimpfen entstand. Die Orgel spielte bereits und der Kapellmeister gab schon wiederholt das Zeichen zum Einsatz des Chores. Es war sehr komisch, wie nach den Bezeichungen Lump und Lauskerl dann der Chorgesang erschallte.

     Bei dem Stück «Die falsche Pepita» kommen recht wunderschöne Melodien vor, und bei der auf der Bühne der Pepita dargebrachten Serenade machte ich pantomimisch den Vorgeiger. Das Personal im Orchester wunderte sich über meine richtige Bogenführung und über meine gefühlvolle Haltung. Ein Trompeter hat mich nachträglich gefragt, ob ich musikalisch sei, weil ich als Vorgeiger stets graziös dastünde.

(125)  Bei der Gastrolle des Komikers Johann Nestroy kam auch ein besetztes Orchester auf der Bühne vor. Er spielte wirklich die Klarinette und ich figurierte neben ihm mit der Violine. Dabei trug ich aus der Theatergarderobe einen grossen, grauen Zylinder, der anwesende Theaterinspektor einen gleichen grossen Hut. Da er mit dem Theaterdirektor öfter sprechen musste, wurde ich von diesem irrtümlich ein paarmal für den Inspektor gehalten und auch öfter als solcher gerufen. Im Hintergrund der Bühne war auf der Mauer mit Kohle ein grosser Esel gezeichnet und in der Mitte der Zeichnung – vermutlich von böswilligen, boshaften Händen – stand der Name des Theaterintendanten von Pittoni.


     Ich kann nicht umhin, noch etwas von unserem Aufenthalt in Mureck nachzutragen, nämlich: Bei einer Rückkehr von Graz nahm ich einst den Vater meiner herzigen Gattin, Paul Knölly, mit mir. Nach einigen Tagen machte er sich zu Fuss auf die Reise nach Luttenberg, Friedau, Saurisch, Ankenstein, Dornau und Pettau, um, wie er sagte, vor seinem Hinscheiden noch alle Bekannten und Verwandten zu besuchen und von ihnen auf ewig Abschied zu nehmen. Nach kurzer Zeit packte ihn die Altersschwäche gewaltig. Ein Auge verlor sich von selbst und das Gedächtnis wurde so schwach, dass er meine holde Gattin, wenn sie nach Graz kam und ihn bei der Schwester, verehelichte Fischer, besuchte, gar nicht mehr erkannte. Wenn ich bei meinen Verzehrsteuer-Bereisungen nach Graz kam, liess ich manchen Gulden bei der Marie Fischer, die sehr zärtlich für den Alten sorgte. Es war ergreifend wehmütig zu sehen, wenn er, der 13 eigene Kinder zu ernähren im Stande war, jetzt um ein Stück Brot bat. Er erreichte ein Alter von 86 Jahren.
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