Freitag, 19. März 2010

54. Wo viel Licht ist, ist viel Schatten

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    Als wir in der Klosterwiesgasse Wohnung bezogen hatten, wohnte neben unserem Nachbar Vorhammer ein Damenschneider Appel mit Frau und Kindern. Die älteste Tochter, bei 30 Jahre alt, hatte zwei uneheliche Kinder, hatte eine etwas vorgebeugte Haltung und Vorliebe für Schnupftabak.Ihr Name war Kathi. Die zweite Tochter, Marie, eine Putzmacherin, hatte ein Mädchen. Die Dritte war ein Backfisch von 14 Jahren. Wenn ich von der Kanzlei nach Hause kam, brachte ich immer das Abendblatt der Grazer Zeitung mit. Da kam Kathi immer, nahm ein Paar Prisen aus der Tabakdose meiner Frau, welche schon seit mehreren Jahren gerne schnupfte – gegen Augenweh, wie sie sagte!

Dann las die Schneiderstochter das Abendblatt, ohne dass ich mit ihr ein Wort sprach; denn ich machte mich stets gleich an die Schreiberei. Da kam meiner innigst geliebten Gattin die unglückliche Idee, dass die Kathi nur deshalb herüberkäme, um mit mir ein Verhältnis anzubandeln.

Von diesem schaudervollen Argwohn wurde die liebe, arme Frau so gepeinigt, dass sie in ihrer ganz grundlosen Eifersucht mich ganz Schuldlosen unbändig quälte. Alle meine Bestrebungen, sie von ihrer Einbildung zu befreien und sie von dem Verdachte zu heilen, waren vergebens.  (134)  Wie könnte es mir einfallen, das grosse Frauenherz so zu kränken, da ich täglich die Erinnerung hatte, wie ich nur ihr nach meiner grossen Krankheit mein Leben und meine Gesundheit zu verdanken hatte. Durch die ganze Zeit unserer Ehe habe ich jeden Tag dem lieben Gott für die Gnade innigst gedankt, ein so liebes und echtes Juwel empfangen zu haben. Ich habe stets sehr oft gebetet, dass uns der gütige Himmel bis in das höchste Alter beisammen lassen soll.

     Der Gedanke auf Abwechslung fiel mir nie ein, denn ich war bei meinem Sparsystem ein Feind jeden Luxus, und war von jeher nur zur angestrengten Arbeit verdammt. Beschäftigung ist das beste Mittel gegen unlautere und sündhafte Gedanken. Überhaupt war bei mir kein Bedürfnis und kein Hang zu extremen Vorhaben. Nur für fortwährende, aufrichtige und treue Liebe zu meiner holden Ehegattin, dem Schutzgeist meines Lebens, dann zur Arbeit und zum Bildermalen war meine grösste Sehnsucht.

     Mir war unendlich leid, kein Dichter zu sein. Die liebe Frau hätte es bei allen ihren sonstigen herrlichen Eigenschaften wirklich verdient, in den erhabensten Gedichten gepriesen zu werden. Wenn mir die innigsten Gedichte, «Lob der Frauen» etc. in die Hände kamen, las ich ihr dieselben mit seligster Begeisterung vor.

     Wenn ich von der Kanzlei oft Gänge zu Gericht oder zur Post hatte und ich ihr zufällig begegnete, da hüpfte mein Herz voll Freude, dass ich sie hätte umarmen und küssen mögen. Sie sagte, dass es ihr ebenso ginge.

     In ihrer durch hochgradige Eifersucht entstandenen Verblendung hatte sie mit Hilfe der erwähnten Frau Manninger im 1. Stock neben Kleinoscheg für uns im 4. Stock eine Wohnung mit 3 Zimmern und Küche genommen, ohne dass ich es wusste. Als ich dann eines Tages mittags nach Hause kam, war die ganze Einrichtung schon aufgepackt und die arme, bedauernswerte Frau sagte ganz kurz: «Wir ziehen aus!» Ich erwiderte: «Ist ganz recht» und glaubte, dass sie beruhigt werden würde, wenn wir uns von dem Gegenstand ihres Argwohns entfernen.

     Meine Schwester, Aloisia Resch, hatte wohl einen Mann, der in Bezug auf eheliche Treue ungeheuer leichtsinnig war. Der hatte seine Liebschaften an allen Ecken und Enden, hatte immer viel Geld bei sich und benahm sich sehr verschwenderisch. Als ich und meine Frau einst bei meiner Tante Theresia Dunkel auf Besuch waren, jammerte ihr eben meine Schwester das Elend mit ihrem Manne vor. Da entschlüpfte dieser die höchst unüberlegte Äusserung: «Ah, geht's, die Männer machen's alle so!» Das war erst Öl ins Feuer gegossen und meine Frau wurde fast wahnsinnig. Es ist nicht zu beschreiben, was  (135)  ich da gelitten habe. Sie verfluchte sogar den Tag, an dem sie mich kennengelernt hatte, drohte, mich unter Polizei-Aufsicht zu stellen, wenn ich die verbotenen Wege nicht meide und hat geschworen, ebensolchen liederlichen Lebenswandel zu betreten wie ich. Ich selbst war bei alledem ganz und gar unschuldig.

     Wenn ich zurückdenke, wie ich die Pepi Kleinholz 55 Jahre lang rein platonisch liebte, mich in Wien ein Jahr aufhielt und beim Verzehrsteuergeschäft oft mehrere Wochen von meiner innigst geliebten Gattin abwesend war und mich jederzeit, trotz aller zweideutigen Gelegenheiten entsagend und treu, redlich und ordentlich benommen habe, so konnte ich es nicht begreifen, wie die arme Frau mir solche Schändlichkeiten zutrauen konnte. Ich hatte doch nicht und niemals Anlass zu Argwohn gegeben.

     Wenn die bedauernswerte Gattin einige ruhige Stunden hatte, versuchte ich oft in möglichst freudlicher Art ihren Verdacht als ein unglückliches Hirngespinst zu erklären. Aber da kam sie immer in eine grenzenlose Wut, wobei mir auch manches harte Wort daherplatzte, denn nichts konnte mich derart in Harnisch bringen, als wenn meine unerschütterliche Redlichkeit angezweifelt wurde.

     Allen meinen Versicherungen glaubte sie nicht. Oft bat ich sie auf den Knien, ihren grundlosen Mucken zu entsagen und meiner Ehrlichkeit zu glauben. Alles war vergebens.

     Unbegreiflich war es wirklich, wie die einst so geistreiche, verstandesreiche Frau sich durch ihre unglückliche Idee so martern lassen konnte. Wie hätte ich so unvernünftig und gewissenlos sein können, meine herzensgute Frau, die ich immer hoch schätzte und als eine Heilige verehrte, mit frechen Absichten zu kränken. Oft kam es  vor, dass sie im Augenblick meines Fortgehens in die Kanzlei einen Streit anfing und heftig über ihr Unglück weinte. Da hatte ich unendlich grosse Mühe, sie zu beruhigen. Ich konnte ja nicht eher fort, als bis sie besänftigt wurde. Es war zum Verzweifeln! Ich hatte die grösste Besorgnis, dass sie sich in meiner Abwesenheit ein Leid antun würde und kam während der Kanzleistunden mehrmals nachschauen.

Es wird noch schlimmer

     Als einst unsere Tochter in Laibach an Typhus erkrankte, ist meine liebe Frau dahin und hat die arme Tochter sorgfältig gepflegt bis sie ausser Gefahr war. Um diese Zeit hatten die 6 Kinder meiner Schwester Maria Stadler zu Kitzbichl in Tirol (vermutlich Kitzbühel) eine Erbschaft gemacht. Ich wurde als Vormund bestellt und musste einen Advokaten dort bevollmächtigen.  (136)  Zu meiner in Laibach zurückgekehrten armen Frau sagte ich am nächsten Sonntag, dass ich wegen Legalisierung der Vollmacht zu Gericht gehen müsse und dann meine Gattin in der Ursulinen-Kirche abholen werde, da wir beide in das kalte Bad bei Rauch gehen wollten. Zufällig war der die Legalisierung vornehmende Beamte, v. Azula, noch nicht da. Ich musste warten und stand schon auf Nadeln. Ich fand dann meine arme Frau in der Kirche nicht mehr. Sie dachte in ihrem Wahn, die Legalisierung sei eine Lüge und ich auf einem Spaziergang mit der von ihr Verhassten.

     Entweder diese heftige Erregung oder die Ansteckung an der Krankheit meiner Tochter in Laibach war Ursache, dass meine arme Frau ins Bett musste, denn der Typhus stellte sich ein. Ich nahm sogleich eine Wärterin auf, welche sie bediente und ich pflegte meine arme Frau zu jeder Stunde der Nacht. Der ausgezeichnete, berühmte Dr. Hinterthür war 9 Wochen hindurch unermüdlich für uns tätig. Aber der unglückliche Wahn verliess sie nicht. Vor- und nachmittags kam ich immer aus der Kanzlei, um nachzuschauen. Als ich ihr erzählte, dass ich von der Post zurück in die Stadtpfarrkirche ging, um dort inbrünstig für das Gesundwerden meiner innigst geliebten Gattin zu beten, erhob sie sich im Bette und schrie: «Das ist erlogen! Du hast das Luder hineingehen sehen und bist ihr nach!» Wie wehe es mir zu Herzen war, kann man sich nicht denken. Ich hatte nicht die mindeste Furcht vor Ansteckung und nur die grösste Sehnsucht um die Gesundheit meiner Frau an Leib und Seele. Die Wärterin, eine grosse, starke Frau, vom Arzt selbst empfohlen, starb bald darauf an Typhus und meine Frau kam aus dem Bette. Als sie im Spiegel ihr gräulich entstelltes Gesicht erblickte, ergriff sie als erstes eine namenlose Furcht, dass ich mit ihr nicht mehr Vorlieb nehmen würde.

     Ich tröstete die arme Frau so gut ich konnte und versicherte sie zum tausendsten Male meiner unvergänglichen Treue und Hochachtung, denn es war mir ja unmöglich, die mit so viel Leiden behaftete, sonst so gute Seele weniger zu lieben, als in unserer Rosenzeit. Dennoch dauerte diese traurige Zeit mehrere Jahre.

     Erst nach dem im Spitale erfolgten Tode der Verhassten wurde meine wieder in bester Gesundheit strahlende, liebe Gattin ruhiger. Ich musste  mich aber sehr hüten, ihren gewesenen Argwohn rege zu machen, weil sie dann wieder in höchste Wut geriet. Ganz geheilt vom Verdacht wurde sie nicht.
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