Dienstag, 16. März 2010

53. Unser Sohn Eduard macht sich

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     Unsere Tochter Marie hatte im Gasthaus zur Mehlgrube Kochen und bei der Beamtengattin von Gratter Kleidermachen gelernt. Sie ging dann in Dienst, da wir sie zu Hause nicht benötigten. Luise Plank ging schon auf der Ries von uns fort zu ihren Schwestern nach Wien. Nachdem wir das Haus in der Körblergasse zwei Jahre innehatten, kam der Besitzer des Gutes Friedhofen in Obersteier und derzeit Compagnon des Eisengiessers Gottsbacher in der Oberen Körblergasse und hat uns die Realität um 3100 Gulden abgekauft.
 
      Wir bezogen in der Klosterwiesgasse bei Frau Umschaden zwei kleine Zimmer samt Küche und Holzlager für jährlich 60 Gulden Zins. Hier machte ich mir aus besonderer Passion einen Globus, 14 Zoll im Durchmesser, wozu ich vom Turnlehrer Augustin dessen Globus von 8 Zoll Durchmesser zum Muster nahm. Ich zirkelte und zeichnete in freien Stunden unermüdlich wohl mehrere Monate lang daran und hatte meine Freude am Gelingen.

Gemälde von Johann Neuhold - (Original bei Brigitte Winkler in München)

      Nebenbei hatte ich für mehrere Parteien Schreibgeschäfte über Haus, die mir monatlich 6 bis 8 Gulden eintrugen. Ich war freilich manche Nacht bis 12, auch bis 1 Uhr auf und bei der Feder, und hatte noch aus heftig erwachter Vorliebe zur Malerei mehrere Landschaften und Karikaturenbilder in Aquarell erzeugt.

Gemälde von Johann Neuhold - (Original bei Brigitte Winkler in München)

     Da bekamen wir aus der optischen Fabrik Rospini einen aus Karlsbad gebürtigen und von der Ries her mit uns bekannten Optiker-Gesellen namens Bernhard als Zimmerherren. Er war ein sehr geschickter Mann und sang sehr genau, wozu ich ihn mit der Guitarre begleitete. Er machte mir den Ring aus Messing zum Globus und brachte mir Augengläser zur Schonung der Augen wenn ich des Nachts so viel zu schreiben hatte. Er versuchte auch, mit einer elektrischen Maschine meine krummen Finger durch Elektrizität zu kurieren, da der traurige Zustand jetzt nach mehr als zwei Jahren auch an der linken Hand anfing.

     Der erwähnte Dr. Karner wurde zu Liezen in Obersteier Advokat und Notar. Da er selbst gar kein Vermögen hatte, streckte ihm der Maurermeister Mansberg die Kaution von 2400 Gulden vor, wofür  (131)   ich den Schuldschein schrieb. Alle Einrichtungen, Kleider, Wäsche, Schuhwerk, Bücher etc. wurden auf Kredit genommen. Da er meine Redlichkeit und Pünktlichkeit kannte, übertrug er mir seine in Graz zu besorgenden Kommissionen, wofür ich durch mehrere Jahre pro Monat 4 bis 5 Gulden verdiente. Nach und nach schickte er mir von seinem Einkommen Gelder zur Bezahlung des Möbelhändlers Schenk, der Wäschebesorgerin Frau von Pribeling, Schneider Fröhlich etc. Auch die 2400 Gulden erhielt ich zur Abführung an Herrn Mansberg.

     Weil es dem Dr. Karner gar so gut ging, so meinte er, alles mitmachen zu dürfen. Bei Jagden und Gebirgspartien hatte er sich ein Brustleiden zugezogen und starb nach acht Jahren Praxis an der Lungensucht. Er hatte in Wieselsdorf, Pfarre Preding, zwei verheiratete Schwestern, welche aus seinem Nachlass zusammen 4000 Gulden geerbt haben. Mir war es wirklich leid um ihn.

     Weil ich gerne Geld verdiente, hatte ich den Herrn Karner ersucht, mir noch zu jemanden zu verhelfen, dem ich Dienste leisten könnte; und wirklich hatte er dem Notar Kügerl in Rottenmann meine Aufrichtigkeit angepriesen. Für diesen hatte ich nun auch durch zwei Jahre die nämlichen Verrichtungen zu erbringen:  Gelder hier in der Sparkasse einzulegen, oder zu beheben, im Landhause oder in der Landtafel Abschriften und Extrakte zu besorgen. Alles ging immer mit beidseitiger Zufriedenheit vor sich.

     Als Herr Dr. Kügerl einst nach Graz kam, nahm er mich mit zum «Elefanten» zu einem Gabelfrühstück. Aber von dieser Zeit an hatte ich für ihn nichts mehr zu tun. Ich schrieb ihm zweimal um Bekanntgabe, auf welche Art ich bei ihm in Ungnade gefallen wäre, erhielt aber keine Antwort. Entweder hatte sich jemand anderer bei ihm eingeschmeichelt, oder hatte er an meiner Physiognomie Anstoss genommen? Für meinen von Natur aus finsteren Blick konnte ich ja nichts und je mehr ich die Augenbrauen beim Schreiben oder Malen niederzog, desto besser sah ich.

     Jetzt aber kamen gewaltige Verhängnisse über uns. Der Knabe Eduard, welcher in die Normalschule ging, wollte durchaus nichts mehr lernen und zeigte auch gar keine Lust, sich irgend einer Beschäftigung zuzuwenden.

     Der erwähnte Knaupert hatte zwei Söhne, Valentin war Seifensieder in Graz und Franz Seifensieder in Leibnitz. Zu diesem Letzteren kam Eduard in die Lehre, wurde aber – angeblich zu diesem Geschäft zu schwach – nach einem Jahr nach Hause geschickt.

     Wir haben ihn dann zu dem unserer Wohung gegenüber befindlichen Schneidermeister Korhammer gegeben, der Knabe sollte Schneider werden.  (132)  Da hier aber fast nur Militär-Kommissionsarbeit war, kam Eduard zum Schneider Maninger, wo er zu einem ordentlichen Gesellen ausgebildet wurde. Korhammer hatte einen Julius zum Sohne und vier sehr hübsche Töchter. Julius war auch Schneider. Eduard arbeitete bei den Meistern Muhr und Grosschepf. Eduard und Julius Korhammer gingen miteinander in die Fremde und hatten nach vielem Hin- und Herwandern in Pest auf einige Zeit Arbeit gefunden. Nach einiger Zeit schrieb Eduard, dass er das Herumflanieren satt habe und ich möge ihn in einer Kanzlei als Schreiber unterbringen. Beide Helden kamen dann zurück und Eduard wurde bei Dr. Wasserfall als Nachmittag-Schreiber aufgenommen.

     Vormittags war Eduard in der Kanzlei bei Dr. Rechbauer. Als dieser die Fähigkeiten des neuen Schreibers erkannte, nahm er ihn für den ganzen Tag zu sich. Infolge der Verwendbarkeit des Eduard wurde er vom Konzipienten Dr. Gmeiner ernstlich bestürmt, jetzt noch, obwohl schon 21 Jahre, zu studieren. Eduard wendete sich an den Gymnasialprofessor Richard Peinzlich, welcher ihm einen gediegenen Instruktor zum Privatstudieren verschaffte. Eduard machte solche Fortschritte, dass er in 7 Jahren das Gymnasium und alle höheren Schulen durchmachte, wobei ihm das durch 3 Jahre erhaltene Stipendium à pr. 200 Gulden aus der Mayfredy-Stiftung sehr zustatten kam. Nebstbei lernte er noch Französisch und Italienisch, dann von der Schneidertochter Maninger, Maria Aldrian, sehr geläufig das Zitterspiel. Das war doch viel!

     Nun erhielt er die Vorladung zur Rekrutenstellung und zwar damals, als er 19, resp. 21 Jahre alt war. Als die leidige Krümmung meiner Finger, ungeachtet aller mit unter sehr teuren Mitteln immer mehr zunahm, fiel mir der geniale Gedanke ein, die krummen Finger zur Militär-Befreiung des Eduard zu benützen. Der bereits erwähnte Dr. Kattowitz stellte ein Zeugnis aus, welches vom Kreisphysikus bestätigt wurde. Die zeitliche Befreiung wurde auf ein Jahr bewirkt und das Manöver gelang durch alle vier Alterklassen. Meine liebe Gattin wäre von Herzeleid gestorben, wenn Eduard hätte Soldat werden müssen.

     Wie jedes Jahr, so hatte ich auch Ende 1853 die Vermögensbilanz entworfen. Wir  hatten in der Sparkasse 2300 Gulden convenzionelle Münze. Alle Jahre haben wir die Jahrestage unserer Verlobung und unserer ehelichen Verbindung im Familienkreise mit eine paar lieben Freunden gefeiert. Dabei fiel mir immer ein, dass ich meiner Erwählten einen braven Mann versprochen hatte. Auch meine herzige Frau sagte: «Ich bekomme wohl einen braven Mann, denn er hat mich in seinem ganzen Leben nie böse gemacht». Da hatte ich immer den Schwur in mir erneuert, mein Versprechen zu halten.

     (133)  Als ich als Verzehrsteuer-Oberrevident auch beim Fleischer und Gastwirt Göbl vorhin in Stainz zu tun hatte, kamen wir zufällig auf die vor 20 Jahren von ihm sehr verehrte Anna Knölly, gegenwärtig meine liebe Gattin, zu sprechen. Oh, wie war er da hoch entzückt und begeistert und voll des Lobes für die so liebliche und tugendhafte Anna.

     Im Gasthof auf der Ries kam mit mehreren jungen Burschen aus der Stadt auch der bei Laibach gebürtige, seit mehreren Jahren bei dem Schneidermeister Blaschek als Zuschneider bedienstet gewesene Josef Schidan als Gast. Er wurde heimlicher Verehrer unserer Tochter Marie. Da sie gegen ihn heftige Zuneigung empfand, hielt er um ihre Hand an. Er wollte sich in Laibach selbständig als Schneider niederlassen. Aus unbegreiflicher Vorahnung entstand in mir eine Sympatie für diesen Krainer. Ich wollte, dass er sich in Graz etablierte.

     Die Verehelichung fand in Krain statt. Zuerst wurde das Geschäft in der Stadt Stein, drei Meilen nördlich von Laibach errichtet. Nach längerer Zeit sind wir, ich und die herzensgute Frau, per Bahn nach Laibach und von dort zu Fuss nach Stein. Marie kam per Wagen mit dem herzigen Knaben Victor uns auf halbem Wege entgegen. Nahe dem Orte entstand ein fürchterliches Donnerwetter. Nach drei Tagen reisten wir wieder zurück.
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