Montag, 29. März 2010

57. Der Gesichtsrotlauf --- Unsere Enkelinnen

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(143)  Meine liebe, gute Frau wurde nach dem glücklich überstandenen Typhus wieder kerngesund. Wir machten sehr fleissig Spaziergänge. Ich war von ihrem stattlichen Aussehen so entzückt, dass ich sogar die Frage wagte, als sie 60 Jahre alt war, wie sie es denn anstelle, dass sie immer schöner werde; sie antwortete: «Dies macht das Vergnügen, die Zufriedenheit und das gute Gemüt.» Ich bat den lieben Himmel, dass es doch immer so bliebe.

Und doch kam wieder furchtbares Unglück über die arme Frau. Aus unergründlicher Ursache oder Veranlassung überfiel sie der wilde Gesichtsrotlauf, diese Krankheit ist fürchterlicher als der Typhus und Blattern. Die Ärzte Rauch und Dittertag taten alles Mögliche, meine mir so ans Herz gewachsene Gattin, meine zweite Seele von den schrecklichen Qualen zu befreien. Nach vielen Wochen erholte sie sich wieder, aber die vorigen Kräfte waren sehr vermindert.

     Unsere Enkelin Anna, die inzwischen sehr vieles gelernt und auch im Bad Rauch auch schwimmen lernte, kam nach Triest zu einer Gräfin in Dienst und machte sich dort auch die italienische Sprache zu eigen.

     Wenn sie dort im Meer badete und alle Schwimmkünste zeigte, hatte sie stets eine Menge Zuschauer. Weil aber ihr Vater, der sich bald in Fiume, Pipiano und Triest herumtrieb, sie immer um Geld quälte, so kam sie wieder nach Graz, war mit der Mutter Maria Schidan eine Badesaison im Hotel Holzer in Bad Gleichenberg und nahm Dienst bei der Gräfin Kesslstadt in Graz. Als eine Baronin Herzberg von Wien kam und im Hotel Elefant logierte, machte diese ihr Verlangen nach einem Kindermädchen in der Zeitung bekannt. Als sich hierzu viele Dienstboten meldeten, war unsere Anna die 32. Vorgemerkte und bekam diese Stelle, weil sie die deutsche Sprache rein und korrekt konnte, und überdies krainerisch und italienisch geläufig sprach.

Mittlerweile wurde der Herr Baron Herzberg als Konsul in Smyrna ernannt. Anna wurde kontraktlich auf drei Jahre aufgenommen mit der Bestimmung, dass wenn sie drei Jahre aushält, die Kosten der Rückreise von ihrer Herrschaft bestritten würden. Hält sie aber die drei Jahre nicht aus, hat sie die Rückreisekosten aus Eigenem zu tragen. Die Familie v. Herzberg reiste auf der Donau von Wien bis Rustschuk (Ruso, Bulgarien) in der Türkei, von dort per Bahn nach Warna (Varna, Bulgarien) am Schwarzen Meer und dann mit dem Dampfschiff nach Konstantinopel. Nach dortigem Aufenthalt von zwei Tagen ging die Weiterreise nach dem noch drei Tagereisen entfernten Smyrna (Izmir) in Asien. Dort war Anna sechseinhalb Jahre lang. Es ging ihr sehr gut. Weil dort keine Sparkasse besteht, sandte sie nach und nach 300 Gulden in Gold, welches ich samt Agio à 14 Gulden in Graz für sie in die Sparkasse gab.

     (144)  Enkelin Paula in Fiume war bei einer Herrschaft bedienstet und heiratete dort. Die Herrschaft übersiedelte nach Pola. Dort starb Paulas Mann und hinterliess zwei Kinder. Paula ehelichte dann in Pola einen bei der Marine Angestellten.

     Eine Gräfin Dietrichstein, eigentlich Fürstin, errichtete aus den in Graz angekauften Mildschuh'schen Gründen mit drei Häusern in der Schlögelgasse eine Stiftung für arme, pensionierte Offiziere, die sich für das Haus Österreich besonders verdient gemacht hatten. Eduard wurde Inspektor dieser Häuser und übersiedelte dahin. Da meine arme Frau nach dem grässlichen Rotlauf nicht mehr so leicht in den 4. Stock hinauf konnte, gingen wir mit unserem Sohn Eduard mit. Neunzehneinhalb Jahre hatten wir in diesem Haus zugebracht.

     Den bei uns durch 18 Jahre gewesenen Zimmerherrn, Peter Schantl, Frauenkleidermacher, konnten wir wegen Mangel an Raum nicht mitnehmen. Meine arme Frau musste die Wirtschaft für die beiden Familien fortführen, was ihr beim besten Willen schon schwer ankam. Wir waren vom 1. Oktober 1874 bis 4. August 1875 bei Eduard, welcher in dieser Zeit das Doktor-Diplom erhielt und Adjunkt beim k. u. k. Bezirksgericht Umgebung Graz wurde.


     Wir zogen dann am Nikolei-Quai beim Zeugschmied Herzog in ein Zimmer samt Küche und waren in allem still und vergnügt.
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(888)  Die Zahlen in Klammern sind für Euch nicht wichtig, aber für mich. Es sind die Seitenzahlen im Schreibmaschinen-Transskript, das der Onkel Blinz als Abschrift des von  Johann Neuhold handschriftlich verfassten Originals mühsam vollbracht hat. Also nur zur Information. - 

Denkt auch dran: Die Bilder lassen sich per Doppelklick vergrössern. Und unterstichene Wörter im Text solltet Ihr auch anklicken, dann erscheint ein Erklärungstext (Google und Wikipedia sei Dank).

Eberhard

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