Mittwoch, 10. November 2010

88. Hier also meine letzten Aufschreibungen

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     Gegen Ende Dezember 1893 fasste ich den Entschluss, mit dem Kuvertmachen aufzuhören, da meine Augen schon recht kritisch wurden.

     Ich hatte seit Advent 1891 bis Oktober 1893  !!!  43'921  !!!  Kuverts gemacht. Die Langeweile trieb mich aber immer wieder zu dieser Arbeit, da sich auch manche Parteien wegen der guten Gummierung auf meine Erzeugnisse kaprizierten.

     Wegen meiner kranken Augen, besonders des rechten, riet mir der Uhrmacher Vischner, den berühmten Augenartz Dr. Othmar Purtscher in Klagenfurt aufzusuchen. Ich fuhr also am 7. Mai 1894 per Bahn für 1 Gulden 28 Kreuzer über Judenburg dort hin. Dieser freundliche Herr erkannte sogleich an meinem rechten Auge den grauen Star und hätte die Operation sogleich vorgenommen, wenn ich mich dazu hätte entschließen können. Ich ersuchte ihn um ein Mittel zur möglichen Erhaltung des linken, bereits sehr geschwächten Auges, wonach er mir ein Rezept für Tropfen verschrieb und für eine Salbe zur Einreibung oberhalb dem linken Auge und an den Schläfen. Für die Besprechung verlangte er 2 Gulden. Abends um 10 Uhr war ich wieder zurück daheim.

     Zu Pfingsten 1894 war ich in Leoben, wo mir die Lust ankam, die neue Bahn nach Aflenz zu sehen. Ich nahm eine Karte von Leoben nach Kapfenberg und zurück für 80 Kreuzer. Von dort fuhr ich mit der neuen Bahn bis zur Station Aflenz nächst Pabersdorf für 33 Kreuzer. Dann per Post für 30 Kreuzer hinauf nach Aflenz, wo ich um 11 Uhr mittags ankam und überall  (209)  freundlich begrüßt wurde. Eine Nacht schlief ich bei Herrn Grabner, unserem gewesenen gemütlichen Nachbarn. Beim über 25 Jahre dort gewesenen Bürgermeister, Herrn Willibald Schmid, hatte ich andern Tags herrlich zu Mittag gespeist und dann gut geschlafen. Ich machte dann mehrere Besuche. Herr Dr. Winkler trieb mich an, die neue Bahn auch bis Seebach Au zu befahren. Ich ging nun bergab, besuchte den Wirt Firstner, vulgo Wedl, in Palbersdorf, ging von dort zur nächsten Haltestelle Wappenstein Kammerer und fuhr mit dem ankommenden Zug zur Endstation der Bahn Seebach Au für 28 Kreuzer. Nach einer halben Stunde war die Rückfahrt nach Kapfenberg.

     In Leoben erfuhr ich, dass Herr Maister in Pettau vom Schlag getroffen einige Tage danach starb. In den Schulferien im Juli war Ella Hajek mit ihren zwei Kindern in Leoben bei Wawrinek und dannn einige Tage bei uns in Knittelfeld. Ihr Gemahl holte sie in Leoben ab und war eine Nacht hier. Er beeilte sich wieder nach Wien, und Ella reiste mit den Kindern am 16. September über Selztal und Amstetten nach Wien. Ich begleitete sie bis St. Michael, gab ihr 3 Gulden Reisekostenbeitrag und fuhr zur Abwechslung nach Graz. Dort besuchte ich Herrn Kaufmann Hansel Kohlfürst und Herrn Major Plank und noch andere. Über Maria Grün und Stoffbauer gings dann zur Rose. Dort wollte ich die Wirtsleute Tropetz besuchen, die uns als unsere Nebenpartei in der Sterngasse sehr zugetan waren. Jedoch fand ich sie dort nicht mehr. Zwei Nächte schlief ich wieder im vormals Redler'schen Hause. Im Oktober 1894 kam meine Tochter von Wien hierher auf Besuch. Am 18. Oktober 1894 fuhr sie nach Graz, von dort nach Pola und dann zu ihrem Sohn Viktor Wilkowitz in Mähren.   ......

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    Hier enden die »Aufschreibungen«  von Johann Neuhold und vermutlich auch sein reich gespicktes Leben.
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Montag, 8. November 2010

87. Zurück nach Graz

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     Am 10. September 1893 fuhr Fräulein Hulda zurück und ich nach Graz. Vorher besuchte ich in Bruck den Herrn Dr. Gmeiner und den Spitalarzt Dr. Bertha, welcher meinen erwähnten und immer wieder entstandenen Dippel untersuchte und gleich wieder operieren wollte.  (208)  Ich sagte jedoch, solange dieses Übel keine Schmerzen verursacht, ließe sich wohl eine Operation hinausschieben.


     Durch Kathi Stadler hatte ich erfahren, dass ich noch immer im vormals Anna-Stadler-Haus in Graz über Nacht bleiben könne. So blieb ich dort am 10. und 11. September und gab dem Gärtner Pächter Freiberger für 2 Nachtlager, für 2mal Frühstück und 2 Abendkaffee, dann für 4 halbe Semmeln einen Gulden.


     Da er mir sagte, dass ich mich über die vielen Neubauten verwundern werde, ging ich über die Schlachthausbrücke und war wirklich sehr erstaunt über die Menge neuer ein-, zwei- und dreistöckiger Häuser von der Neuholdau bis zur Münzgrabenskirche.

Das neue Strafgerichtsgebäude in der verlängerten Jakominigasse befindet sich in diesem Häusermeer. Ich musste nach dem nächsten Weg zum Hafner Riegel fragen, um von dort in die Petersgasse und zum Grab meiner Gattin zu gelangen.

Vom Friedhof weg ging ich über Waltersdorf durch die Schillerstrasse zur Herz-Jesu-Kirche und musste wegen plötzlichem starkem Nebel einen Herrn ansprechen, mir den Weg in das Innere der Stadt zu zeigen, da das Häusermeer auch in dieser Gegend immer grösser wurde.
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Mittwoch, 3. November 2010

86. Meine beeiferte Kuvertmacherei

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     Wegen der beeiferten Kuvertmacherei trat in diesen meinen Aufschreibungen eine Pause ein. Ich wollte am 30. Juni 1893 weiterschreiben. Allein die Sehkraft meiner Augen und die Beweglichkeit meiner Hand ist seit einem Jahr so geschwächt, dass ich wohl recht anstrengend die Feder führen muss.

     Am 20. und 21. August 1892 war der nun pensionierte Sparkassenbeamte, Herr Kolfürst samt Frau und Frl. Töchtern mit Rundreisekarten nach Villach hierher gekommen. Er kehrte im Hotel Finze ein und ließ sich mich sogleich auf einen Plausch zu sich bescheiden.  (206)  Er nahm von mir 9 Pakete Kuverts, und ich musste ihm versprechen, ihn zu besuchen, im Falle ich nach Graz kam.
    
     Am 12. September 1892 war ich mit Kuverts in Judenburg und am 13. September fuhr ich nach Graz und nahm auch 16 Pakete mit, die ich teils in St. Michael und teils in Graz verkaufte.

     An diesem Tag wurde dort die im orientalischen Stil neu und hübsch erbaute Synagoge in der Zweiglgasse, abwärts der Radetzkybrücke am rechten Mur-Ufer eingeweiht.

     Ich besuchte Herrn Kohlfürst und erhielt von ihm den Auftrag für 1100 Kuverts. Mein Nachtlager hatte ich bei Herrn Major Plank. Am nächsten Tag besuchte ich das Grab meiner Gattin, nahm bei Leidersdorf ein Ries Papier und fuhr abends mit gemischtem Zug nach Leoben und arbeitete an den Kuverts für Herrn Kolfürst, welche ich am 25. Oktober 1892 an ihn sandte.

     Mein Kuvert-Eifer war jedoch Schuld, dass ich erst am 25. Februar 1894 zur Fortsetzung dieser meiner Schreiben kam.

     (Rückblende:)  Am 17. November 1892 war ich wieder in Judenburg, sowie am 23. März 1893 und am 30. März in Zeltweg. Am 29. April 1893 fuhr ich nach Leoben und am 26. Mai 1893 ließ ich mich fotografieren und sandte mein Bildnis an Herrn Maister in Pettau, an Kaufmann Petschaller in Aflenz, an Maria Schidan und Ella Hajek in Wien, dann an Wawrinek in Leoben, an Messner in Pola , an Optiker Bernhardt in Karlsbad und an die 73 Jahre alte Lederermeisterswitwe Anna Steurer in Mureck. Ein Bild erhielt mein Herr Sohn und eines der Uhrmacher und Dichter Wischner.

      Am 25. Juni und 1. Juli 93 war ich wieder in Judenburg. Die Herren Heinrich Plank, k.k. Major, und Anton Kohlfürst, dann Frau Zeitler in Graz und Frau Holzer in Aflenz erhielten auch eine Fotografie.

Am 23. Juli 1893 sandte ich mehrere Bilder aus der Zeitschrift       »Zur Guten Stunde« nach Pola für die Kinder der Eheleute Messner. Am 12. August kamen aus allen Gegenden der Steiermark auch aus Friesach in Kärnten fesche Turner, sogar aus Laibach Deutsche Turner hier an. Am 13. August war bei schönem Wetter von der Turnhalle her  durch die Herrengasse auf den Hauptplatz ein prächtiger Einzug mit mehreren Musikbanden.

     Vor dem Rathaus war eine Tribüne aufgeschlagen, auf welcher der Herr Bürgermeister von allen Honoratioren und vielen schönen Ehrenfräuleins umgeben die vor der Tribüne aufmarschierenden Turner feierlich begrüßte.  (207)   Aber während der alle Turner und Turnfreunde ergreifenden Rede des Bürgermeisters sandte der Regengott plötzlich eine kleine Wolke daher, welche in ihrer Laune sich auf die grosse Menschenansammlung ergoss. Die Eingänge in die Häuser konnten die Schutzsuchenden nicht alle aufnehmen, und die lieben Ehrenfräulein wurden halb durchnässt ehe sie sich von der Tribüne herabflüchten konnten.

     Nach kaum zwei Minuten war die kritischen Regenwolke verschwunden. Jeder eilte wieder auf seinen Platz und der Bürgermeister konnte seine markige Ansprache fortsetzen und vollenden.

     Dann eilten alle zum Mittagsimbiss, wonach von den einheimischen und fremden Turnern auf dem geräumigen, mit Tribünen und Sitzplätzen reichlich versehenen Feuerwehr-Übungsplatz die herrlichsten Turnübungen ausgeführt wurden. Desgleichen auch des anderen Tages am Nachmittag. 

     Am 14. August sandte ich 10 Gewehrpatronenschachteln, die ich von Aflenz mitgebracht hatte, an den Kaufmann Petschaller und erhielt hierfür am 14. September 2 Gulden 50 Kreuzer.

In einer Zeitungsnotiz hieß es, dass am 8. September aus allen Gegenden der Steiermark Abordnungen der freiwilligen Feuerwehren nach Leoben kommen werden. Also begab ich mich am 7. August mit der Cousine Hulda dahin zu Herrn und Frau Wawrinek, um das Fest anzusehen. Am 8. August früh versammelten sich die Feuerwehrleute am Bahnhof, von wo aus dann ein prächtiger Einzug in die festliche geschmückte Stadt erfolgte. Währenddessen von der Anhöhe hinter dem Bahnhof 100 Böllerschüsse losgingen. Hier wie in Knittelfeld wurden die Einziehenden mit zahllosen Blumensträußen begrüßt.

Vom Balkon des Rathauses, vor welchem der ganze Zug Aufstellung nahm, wurden die wackeren Männer vom Bürgermeister feierlich bewillkommt. Tags darauf wurden am Hauptplatz in der Höhe einiger großer Häuser Feuerwehrübungen vorgenommen, welche jedoch vom nachhaltigen Regen vereitelt wurden.

     Eine angenehme Überraschung für mich war es, als von der Aflenzer Feuerwehr Schneidermeister Ortner, Lebzelter Schmölzer, Schuster Hödl und Kaufmann Petschaller auf mich zukamen und mich freundlich begrüßten. Ich musste versichern, dass ich, sobald die im Bau befindliche Bahn von Kapfenberg nach Aflenz fertig sein würde, auf Besuch nach Aflenz zu kommen.
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