Die Wut des entfesselten Elementes liess aber nicht nach bis alles Brennbare vernichtet war. Von der Universität bis zur Ringmauer der Domkirche wurde von Schneemassen ein Damm aufgeführt, vor welchem sich durch das aus den Spritzen gegen das Feuer verwendete und zurückfliessende Wasser ein Teich bildete, woraus dasselbe wieder gen den Brand in Verwendung kam. In der ständischen Reitschule wurde dann sogleich ein provisorisches Theater erbaut und das alte wurde nach drei Jahren wieder hergestellt.
Kapaunerfahrten nach Wien
In Steiermark war der Jänner 1824 kalt, und die eben in Wien herrschende laue Witterung war wieder Schuld, dass wir von unserem grossen Vorrate Kapauner nichts dahin senden durften. Da erhielt ich den elterlichen Auftrag, mit einer Ladung nach Wien zu fahren, unterwegs so gut als möglich zu verkaufen und den Rest der Mam Theres in Wien zu übergeben. Auf einem Landkutscherwagen des Herrn Eberl wurden vorne zu den Füssen des Kutschers, auf dem Dache des Wagens und hinten auf der sogennanten Brücke 17 Kisten mit ca. 300 Stück Kapauner gepackt.
Am 2. Feber wurde vom Gasthof zu Rössl abgefahren. Ein Kaufmann in Wien und eine Bürgerstochter aus Ried in Oberösterreich waren Mitpassagiere. Auf der Tratte oberhalb von Weinzöttl brach die hintere Brücke des Wagens und die Last desselben lag am Boden. Dies war nun eine Fatalität mit Anstrengung und Aufenthalt. Bis ich und der Kutscher die Ketten und Stricke loslösten, vom nächsten Bauernhause Holz zur neuen provisorischen Brücke holten und die Last wieder fest banden, vergingen zwei Stunden, wobei meine Finger vor Kälte fast erstarrten.
Die Mitreisenden gingen indessen bis Friesach voraus. Der Kutscher wollte seine Stationen einhalten, und so kamen wir erst gegen 9 Uhr nach Bruck. Im Gasthaus, wo wir einkehrten, waren die Leute so ungefällig, dass wir Männer zur Liegestatt nur Stroh in die Stube bekamen. Mich wunderte es, dass der mitreisende Kaufmann dagegen nicht protestierte.
(31) Die später erst vom Theater heimgekehrten Wirtsleute blickten sehr geringschätzig auf uns, im Stroh Daliegenden, und erzählten den noch Anwesenden den Inhalt des Stückes "Haus am Scheidewege". An diesen Titel dachte ich zeitlebens wegen meiner Naturfehler: Unentschlossenheit und Zweifel. Den nächsten Tag früh verhandelte ich noch eine Kiste Kapauner an den Kaffe-Sieder Rupp. Vor Einbruch der Nacht kamen wir nach Spital, wo im Gasthause, da unsere Pferde mit Heu und Wasser versorgt wurden, ein Ball war.
Nachdem ein Knecht des Wirtes zwei Pferde zu Hilfe vorspannte, blieb der Kutscher mit dem Kaufmann zurück, um zu tanzen. Die beiden meinten, wir sollten nur weiterfahren, sie würden bald nachkommen. Der Vorreiter schnalzte mit der Peitsche und fort ging es in die Nacht hinaus, bergauf.
Schon früher hatte ich unterwegs bemerkt, dass der Kaufmann vergeblich versuchte, die Bürgerstochter zu Sprechen zu bringen. Sie war gross und wohlgestaltet, aber so eingewickelt und vermummt, dass nicht zu erkennen war, ob sie hübsch oder nicht und wohl mit zwei Augen versehen war; denn sie liess immer nur eines von beiden sehen.
Obwohl ich 16 Jahre alt war und schon die Grösse eines 24jährigen hatte, war ich gegen das weibliche Geschlecht unbegreiflich schüchtern und überhaupt wortkarg. Doch wollte ich aus langer Weile mit dieser Unbekannten zu plaudern wagen, machte sie aufmerksam auf die jetzige trostlose Einsamkeit und die durch Schnee halblichte Nacht. Aber von dem Mädchen kam keine Antwort. Ich sah bei einem und sie beim anderen Wagenfenster hinaus. Dies dauerte fünf Stunden über die schneenasse Höhe des Semmering.
Auf einmal rief der Knecht den Pferden ein lang gedehntes ohhhh zu. Ich rief aus dem Fenster, was es gäbe. Er ging mit seinen zwei ausgespannten Pferden zurück. Ich bat ihn, die zwei Zurückgebliebenen zur Eile zu mahnen. So blieben wir an der Grenze zwischen Steiermark und Oberösterreich stehen. Als ich aus dem Wagen stieg, um mich zu orientieren, schlug eine Kuckucksuhr im Wegmacherhäuschen unweit der Strasse die 11. Stunde. Gleich darauf kam aus dem nahen Walde ein Mann, vielleicht irgendwo vom Fersterln einer Holden, und ging langsam an uns vorüber seines Weges.
Nach einer halben Stunde verkündete ein fernes Singen und Jauchzen die Nachkunft des Kaufmanns samt Kutscher. Beide, wei es schien, halb angeduselt. Nun dachte ich, Gott wird uns beistehen, dass wir ohne Unglück in der Nacht nach Schottwien kommen.
(32) Kaum wurden etliche Schritte gefahren, so erkannten wir erst, dass es auf jener Seite fest gefroren und eisglatt war. Der Kutscher musste hundert Schritt entfernt Leute wecken, die ihm beim Einsperren der Räder Ketten geliehen hatten. Da die Strecke nach Schottwien viel steiler war, ging die Abfahrt schauderbar. Niemand blieb im Wagen, denn dieser schwankte immer wie ein Schiff im grössten Sturme. Nach 2 Uhr in Schottwien angelangt, konnten wir erst wieder frei atmen.
Hier schläft ein Engel
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