Donnerstag, 28. Januar 2010

28. Wo Fuchs und Hase ... / Gurgelbein-Operation

     Als meine Mutter einst an einem Sonntage zu uns auf Besuch kam und in das Theater im Schlosse geführt wurde, wo ich in der 'Teufelsmühle' das Kasperle spielte schlug sie die Hände über dem Kopfe zusammen und sagte in jammerndem Tone zu meiner Frau: «Ach, mein lieber Sohn muss hier den Leuten den Narren abgeben» und sie ging entrüstet fort. Da ich ein besonderer Freund vom Theater war und in Graz die Teufelsmühle drei mal sah, so konnte ich den Kasperle aus Passion und mit grösstem Beifalle darstellen.

Der herrschaftliche Kutscher Jakob Taupe war in seinen freien Stunden Jäger und schenkte mir einmal einen grossen Fuchs. Meine Gattin hatte diesen drei Wochen lang in starker Beize liegen lassen. Da wir dann einen Primling abgestochen und das Schlosspersonal samt Kaplan und Chirurgen zu einem fetten Bissen eingeladen hatten, veranstalteten meine Frau und ich ohne Vorwissen anderer, dass zuerst der Fuchs geschmackvoll gespickt gebraten und mit delikaten Rahmsossen als Hase aufgetischt werden sollte, und im Nu alles von der Tafel verschwinden und mit frischem Gedecke der Schweinsbraten serviert werden musste. (71) Mit sichtlichem Appetit fing jeder an, von Herzen zu speisen, selbst der Jäger erkannte sein Geschenk nicht. Vor lauter Plaudern war Antonia die letzte, die von gustios daliegendem Hasen ein Stück in den Mund nahm. Aber sogleich nahm sie den Brocken aus dem Gaumen und schrie: «Pfui Teufel, das ist ein Fuchs!» Und es war komisch zu sehen, wie ein Gast nach dem anderen den noch im Mund befindlichen Bissen herausnahm und unter den Tisch warf. Ehe sich alle von der Überraschung erholt hatten, war keine Spur der Ursache mehr vorhanden, und das Jungschweinerne mit famosem Bratengeruch auf dem Tische. Jeder versuchte, den Fuchsgeschmack mit Wein hinabzuschwemmmen. Nur der leicht zum Erbrechen gereizte Chirurg musste zuerst mit einem Glas Slivowitz getröstet werden. Nachdem die Gäste mit launigen Äusserungen einander und uns recht hänselten, liessen sich alle den Primling recht gut schmecken. Überhaupt waren diese Herren nebst der Kammerjungfer gern gesehene Gäste, und ich bemühte mich, alle durch Anekdoten, Deklamationen, Stegreif- und sonstige Lieder bestens zu unterhalten.

     Besonders Kaplan Lippusch war grosser Freund von zweideutigen Gesängen.  Recht zotige Texte sang er selber am liebsten. Bei dieser Gelegenheit fiel mir ein, dass der erwähnte Kaplan Dirschedl auch nicht sehr sittenrein war, denn in seinem Zimmer hingen acht den Sklavenhandel darstellende Bilder mit vielen weiblichen, nackten Figuren, welche ich schon früher als damaliger Schulknabe selbst sehr gern sah.

     Ich und meine fleissige Gattin hatten unser Getreide selbst ausgedroschen. Und da der Herr Fürst Rosenberg bei seinen täglichen Spaziergängen uns öfter besuchte, wunderte er sich über unsere Tätigkeit beim Dreschen und tags darauf sah er uns beide an der Stickrahme sitzen, da meine Gattin wieder eine dringende Bestellung hatte. Ich kaufte einen neuen Wagen und ein Pferd, weil wir auch einen Handel mit Geflügel für meine Eltern nach Graz unternahmen. Meine äusserst tapfere Frau fuhr sehr oft allein gegen Luttenberg zum Einkaufen, wobei sie die slowenische Sprache sehr gut gebrauchen konnte.

    Nebenbei verdiente ich gar manches in der Binderei, dann als Tischler, Maler, Bildhauer, Sänger.

     Als einst vom oberen Orte Schöpfendorf ein Hochzeitszug bei uns vorbeikam und ein Brautführer losfeuerte, zersprang ihm der ganze Schaft der Pistole und ich hatte diese wieder brauchbar hergestellt.

     (72)  In unserer nächsten Nachbarschaft war ein dicker Bauer, Florian Stachel, gewesener Artillerie-Feuerwerker. Bei seinen täglichen Besuchen unterhielt er sich gerne mit uns, besonders mit der geistreichen Frau, wie er sagte. Der Bauer und Handelsmann, vulgo Kroatenmüller, benahm sich dienstfertig und liebevoll gegen uns, als ob wir seine Kinder wären. Er machte mich mit dem braven Weingarten- und Mühlenbesitzer Semlich im Stanzthal bekannt, von dem ich die nötigen Weine zu mässigen aber festgesetzten Preisen, samt Fass ins Haus gestellt, bezog.

     So oft Kroatenmüller nach Graz kam, meldete er sich bei meinen Eltern und hatte uns von diesen geschenkte und in unserer Wirtschaft brauchbare Artikel ins Haus gebracht.

     Von Wien kam einst der Wiener Meister Schreiber zu Arbeiten bei den herrschaftlichen Riemenzeugen. Als er erfuhr, dass ich ein Binder sei, riet er uns, das wegen Schulden verkäufliche Grubersche Binderhaus samt Gewerbe und 4 Joch Grundstück zu kaufen. Ich hatte eben im Schlosspark eine neue Einsiedelei in der Arbeit, wobei ich dem Gesellen des Tischlers zu Hilfe kam. Dieser war ein Tiroler und an mitunter zweideutigen Anekdoten unerschöpflich.

Obwohl die Fürstin, geborene Gräfin Brandis, sehr religiös war, hörte sie den Erzählungen des Tirolers gerne zu. Fand sie der Fürst den schlüpfrigen Reden lauschend, zog er sie gleich fort. Aber bald war sie wieder da und fragte den Tiroler: «Wissens nichts mehr?»

     Einst erkundigte sich der Fürst, der eine Comtesse bei zehn Jahren besass und sehr gerne einen Prinzen haben wollte bei dem Tischlermeister: «Sagen Sie mir doch, wie stellen Sie es denn an, dass Ihre Frau alle Jahre einen festen Buben hat?» (Es waren schon 9 Stück). «Durchlaucht», antwortete der Meister, «ich bin oft Monate auswärts auf der Stör, aber wenn ich nach Hause komme, spring ich um das Bett herum wie ein Hahn um die Henne und dann – hast Du nicht gesehen – aber nicht alle Tage, so und so!!» Der Fürst schlug seinen am Leib hängenden Mantel fester zusammen und –– ging.

     Die Fürstin Kunigunde Rosenberg war eine kleine liebliche und freundliche Dame. Ich hatte für ihre Wirtschaft manche Binderarbeit. Ich hatte auch die Kapelle aussen an der Parkmauer mit Betstühlen, dann mit geschnitzten Wandleuchtern zu versehen. Das fürstliche Ehepaar begab sich öfters auf Wallfahrten, um einen Sohn zu erbitten; aber alle diese diesfälligen frommen Wünsche blieben unerfüllt.

     (73)  Die Comtesse hatte am Gurgelbeine einen kleinen Auswuchs, welchen die Eltern beseitigt wünschten. Sie liessen daher den Kreisfisiker von Marburg und den Chirurg von Abstall kommen. Der Kammerdiener kam zu mir mit der Frage, ob ich blutscheu wäre und ich platzte mit der Antwort heraus, dass ich mit dem Teufel raufe, wenn es sein müsste. «Also kommen Sie!», sagte er.

     Im ersten Stock des Schlosses lag auf einem mit Matratze belegten Tische das arme weinende Kind, in Patschen gewickelt, dass es sich nicht mehr rühren konnte. Ich wurde angewiesen, Kopf und Schultern des Kindes der Comtesse festzuhalten, und der Kammerdiener war zum Festhalten ihrer Füsse bestimmt. Der Kreisfisiker machte an der Haut ihres Halses einen kleinen Schnitt, zog mit einem silbernen Häkchen den Auswuchs in die Höhe, welchen der Chirurg mit einem silbernen Messer vom Gurgelbein löste. Während dieser Prozedur sprudelten am Halse des schreienden Kindes rechts zwei und links drei kleine Fontänen Blut hervor, die mich schaudern machten, obwohl ich mich herzhaft zusammennahm.

     Vor dieser Operation war die Herrschaft zur Kirche gegangen und das Schlosspersonal begab sich in die unterirdischen Räume, um nicht den Schmerzensschrei der armen Comtesse zu hören. Nur die Kammerjungfer hielt stand, um nötigenfalls mit Labungen bei der Hand zu sein. Sie musste meine Ergriffenheit bemerkt haben, denn als ich mich entfernte und im Vorzimmer zusammenbrach, war über das Gepolter die Kammerjunger schon da, um mich mit dargereichten Spirituosen wieder aufzurichten. Nachträglich wurde ich über meine Lust, mit dem Teufel raufen zu wollen und über meine nachträgliche Schwäche ausgelacht und erkannte, dass ich zu keinem Soldaten getaugt hätte. Die Operation war glücklich vorüber, und beide Herren Ärzte machten der von der Kirche zurückgekehrten Herrschaft an der Einfahrt ein tiefes Kompliment. Nach mehren Jahren wurde Comtesse Kunigunde im Schlosse mit dem Grafen Platz vermählt. Nach Hinscheiden ihrer Mutter ehelichte der Fürst eine Comtesse Wurmbrand, mit welcher er einen Sohn zeugte. 
.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen