Dienstag, 26. Januar 2010

27. Ein gesunder Körper muss auch Luft haben

     In unserer Nachbarschaft war ein Bäckermeister namens Singer, er war auch meine Kundschaft. Dessen Sohn hatte an der Krankergasse eine Bäckerei, wo er auch noch eine Hauswirtin benötigte. Als ich schon verehelicht war, kam der alte Singer zu mir, um sich zu erkundigen, was denn die Josefa Reinholz, mit welcher ich einige Jahre Umgang gepflogen hatte und ihr zur Heirat mit seinem Sohne geraten hatte, für eine Person sei. Ich gab ihm nur den Rat, sie auf einen Kaffee einzuladen, (68) zu einem Kaffee, wo dann ihre Gemütsart und sonstige Eigenschaften bemerkt würden. Nach einigen Tagen kam der alte Singer wieder zu uns und erzählte, dass er meinen Rat befolgte und der Josefa Reinholz zum Kaffee einen grossen Teller voll mürber Kipferln vorgesetzt habe. Sie liess sichs vortrefflich schmecken und während des Gesprächs kam ihr von ungefähr ein kleiner Pumper aus. Der alte Herr daraus zum Spass: «Ein gesunder Körper muss auch Luft haben», worauf sie erwiderte: «muss aber auch seine Nahrung haben und griff nach dem siebten Kipferl. «Nein, mein Herr», sagte Singer zu mir, «mit dieser ist nichts, die frässe meinen Sohn arm und ich danke ihnen für den guten Rat, den sie mir gegeben haben».


     Sie heiratete nachher einen Färbermeister in St. Gerorgen bei Wildon. Als sie sich gleichsam für unsere platonische Liebe entschädigen wollte, hatte sie mit jedem Gesellen intime Beziehungen, tafelte grossartig mit denselben, und wenn der arme Mann sich einen Einspruch erlaubte, sagte sie zu ihm: «Du hast nichts zu reden, das Vermögen ist von mir». Auf solche Art ging die Wirtschaft zugrunde und nach einigen Jahren wüsten Lebens starb sie trotz der elterlichen Erbschaft per 7000 Gulden als Einlegerin.

     Zu Ostern 1831 hatten wir von meinen Eltern das einspännige Fuhrwerk zu einer Vergnügungsfahrt nach Landsberg entlehnt, wo wir uns bei Fräulein von Sailer herrlich unterhielten. Als wir am Ostermontag zurückfuhren, kam in Stainz eben ein Trupp Rekruten aus der Kirche. Übermütige Burschen davon umzingelten uns sogleich, zwei stiegen rückwärts auf und zwei wollten das Pferd aufhalten. Ich hieb mit der Peitsche tapfer herum und auf das Pferd, welches die zwei vorne niederriss und wir dann glücklich entkamen.

     Nun kam die Fürstin Rosenberg nach Graz und liess uns fragen, ob wir nicht gesonnen wären, ihre Taverne beim Schloss Freudenau in Pacht zu nehmen. Da wir des fortwährenden Notleidens beim Binderhandwerke schon überdrüssig waren, ich auch sah, dass mehrere Bindermeister nacheinander starben, ich aber noch länger leben wollte, so entschloss ich mich, abzureisen und vorläufig die Pachtobjekte und Bedingnisse einzusehen. Nach vorgenommenem Augenscheine wurde mir in der herrschaftlichen Amtskanzlei, ohne mich zu fragen, ob ich pachten wolle oder nicht, sogleich der Kontrakt zur Unterschrift vorgelegt. (69) Ich dachte nun, mehr als gefehlt kann es nicht sein, und unterschrieb in Gottes Namen aufs Geradewohl.

     In Graz fand ich als Pächter des Bindergewerbes den früheren Gesellen Anton Matzer. Aber meine arme Frau kam in die Wochen, lag unter unsäglichen Schmerzen bei ihren im Engelswirtshaus am Lendplatz wohnenen Eltern, wo am 15. Oktober 1831 ein Mädchen zur Welt kam und auf den Namen Maria Theresia getauft wurde.

     Ich und die Schwester meiner Frau, Maria, dann ein Mädchen, Maria, aus der Plank'schen Familie, sind dann am 30. Oktober 1831 unter Mitnahme mehrerer Effekten in einer Plätte auf der Mur nach Freudenau gefahren und die Pachtung wurde am 1. November angetreten.

     Vorläufig, für den Anfang, hatte ich die Weinreste des früheren Pächters Simmel, vorher Knecht im Schlosse, namens Keuschler, hinter dem Schlosspark nächst der Mur übernommen und vorher noch einen Halbstartin Windischbichler eingeschafft. Nach acht Tagen hatte sich meine liebe Frau so weit erholt, dass sie mit dem Kinde nachkommen konnte.

     Hier hatten wir aber neuerdings mit Widerwärtigkeiten zu kämpfen. In Erwartung, dass am Lande alle Lebensmittel billiger sein werden als in der Stadt, hatten wir von Graz einen kleinen Rest Schmalz mitgenommen. In den nächsten Dörfern Schirmdorf, Abstall, Marchersdorf wunderten sich die Leute über uns, im Kleinen etwas verkaufen zu sollen. Auf vieles Bitten bekam ich einen halben Laib schwarzes Brot und vom nächsten Müller Hölzl gegen Geld nur eine halbe Mass grobes Haidenmehl.

     Dem Kinde zuliebe war die nötige Milch im Schlosse zu haben. Für Tanzmusiken hatte ich im grossen Gastzimmer selbst ein Orchester gezimmert. Und als ich einst zur Bezirksherrschaft Obmureck um eine Ball-Lizenz ging, wurde ich vom Verwalter Slatschek sehr derb angefahren und sogar mit dem Schub bedroht, weil ich von Graz keine Bewilligung zur Reise nach Untersteier und zur Pachtung vorweisen konnte. Wahrscheinlich wollte er seinen Ingrimm zeigen, weil ich ihm nicht gleich nach Übernahme der Pachtung meine Aufwartung machte. Die Lizenz wurde beim ersten Versuche verweigert, nachher aber doch erteilt.

     (70) Wir hatten viele Gäste, und es schien, als ob sich das Geschäft rentieren würde. Allein nur die Wohlhabenden bezahlten die Zeche sogleich. Die weniger Bemittelten waren Hauptspieler und machten Schulden, besonders der vulgo Zeschko, der bei seinem grossen Grundbesitz und, kinderlos nachher, als er nichts mehr hatte, wegen Verschwendung unter Kuratel gesetzt wurde.

     Nachdem im Schlosse wahrgenommen wurde, dass ich zu Spässen aufgelegt und musikalisch sei, wurde ich zur Gesellschaft daselbst beigezogen. Maler Steurer von Radkersburg und der jetzige Kaplan Lippusch von Abstall waren Verehrer der reizenden, bildhübschen, fürstlichen Kammerjungfer Antonia Kröpfl. Diese erhielt ihre Guitarrenlektion vom Kaplan gewöhnlich im sogenannten Wäschezimmer bei verschlossenen Türen. Steurer spielte die erste, der Grundbuchführer Paner die zweite Violine, der Chirurg Leonardo das Waldhorn, der Kaplan das Passetel und ich die Flöte. So gab es zu den fürstlichen Geburts- und Namenstagen recht niedliche Konzerte.



     Im sehr geräumigen Wäschezimmer wurde sogar ein Haustheater errichtet. Zu den musikalischen Mitgliedern und den gegebenen Musikstücken kam die gräfliche Familie Wurmbrand von Oberradkersburg, dann die umliegenden, angesehenen Grundbesitzer und Müller als Publikum.
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