Endlich, am 26. Dezember 1826, nach 2 Jahren und 4 Monaten wurde ich beim Zunftmeister Überleis freigesprochen und glaubte nun als Geselle, mir auch das Rauchen zu vergönnen. Ich erhielt die schönste Pfeife und einen perlbestickten Tabakbeutel als Präsent. Aber alle Versuche, mir das ungarische Kraut aller Sorten mit Waschen, Präparieren in Zucker, Milch und Kaffee mundgerecht zu machen, waren vergebens. Auf einen einzigen Zug wars mir schon so übel. Im Ganzen ging er mir 99 mal über die Zähne, die Nervenschwäche und ein Zittern packte mich, und ohne die hundertste Übergabe abzuwarten, die – wie mir vorkam, mein Tod sein könnte – liess ich das Rauchen ganz bei Seite.
Eine meiner Heldentaten muss ich auch erzählen: Im Jahre 1827 war durch Austreten der Mur grosse Überschwemmung. In den Kellern des Handlungshauses Gamillschegg in der Griesgasse nächst dem Mohrenwirt lagerten sehr viele Weine in verballten Halbstartinfässern. Da jedoch das Wasser in den Ballen schon mehrere Tage fast bis zur Decke des Gewölbes reichte und das Zerplatzen der Holzreifen an den Fässern zu befürchten war und sich niemand in die Tiefe des kalten Wassers getraute, ich aber schwimmen und tauchen konnte, so wurde ich beredet, aus den mehrwinkeligen Kellerräumen die vollen Fässer hervorzuholen. Ein Licht auf einem Brette vor mir herschiebend schwamm ich herum und zog die schwimmenden Fässer bis zur Stiege, wo mehrere Männer mit dem Hinaufziehen der Weine beschäftigt waren. Nach meiner ziemlichsten Anstrengung in fast eisigem Schneewasser wurden oben die Fässer gezählt. Es fehlten noch zwei mit Eisenreifen. Nach einem Schluck feurigen Weines tauchte ich in der Richtung unter, wo die fehlenden liegen sollten, und (39) fand sie leider unverballt und daher vom Wasser umhoben. In der Voraussetzung, dass der Wein in diesen letzten Fässern schon verdorben und daher jede Mühe vergeblich wäre, liess man sie liegen. Nach vollem Versinken der Gewässer wurden die zwei Gebinde ihres wirklich unbrauchbaren Inhaltes entleert.
Einer meiner Nebengesellen, ein Peter in meinem Alter, hatte uns in den freien Abendstunden aus Lavaters Physiognomik erklärt, wie aus den Gesichtszügen eines Menschen dessen innerer Gehalt, Leidenschaft, Gemütsart und überhaupt Eigenschaft und Karakter zu bestimmen sei, und wie ein Mann aus der Form jedes einzelnen Teiles des weiblichen Angesichts die zu seinem eigenen Wesen passende Lebensgefährtin beinahe mit Gewissheit erforschen könne.
Ich hatte bei Herrn Rucker einen strebsamen, riesenstarken, zu jeder noch so schweren Arbeit aufgelegten und doch soliden Lebenskameraden, dessen Abenteuer im Gedächtnis ist, und die ich noch berichten will.
Von Salzburg nämlich kam einst ein grosser Weinhändler nach Feldkirchen bei Graz und erblickte beim Keglerwirt, wo er stets zukehrte, den vierjährigen, krauskopfigen, schwarzäugigen Buben des benachbarten armen Wagners. Auf Andringen des reichen Salzburgers erhielt derselbe diesen Knaben an Kindesstatt, welcher dann in Salzburg erzogen wurde, und einst den ganzen Reichtum des Adoptivvaters erhalten sollte. Doch wie der Bursche grösser wurde und über die ungeheuren Weinvorräte des Ziehvaters verfügen konnte, entwickelte sich in demselben eine unbezähmbare Trink- und Streitlust, dass ihn der alte Herr nicht mehr behielt und ihn dem Sandwirt Maier in Graz übergab, wo er die Brauerei erlernen sollte. Da es aber unmöglich war, den Widerspenstigen zu bändigen, bat der Bräumeister Rucker, er möge sich um den Salzburger Josef Nikschitz annehmen und aus ihm einen ordentlichen Menschen zu machen versuchen. Und der Versuch gelang. Nikschitz wurde ein sehr braver, gemütlicher Mann und geschickter, fleissiger Binder, war nüchtern, allseits geachtet und sprach nie von Salzburg.
Auf einmal, es war im Spätherbst, konnten wir es nicht begreifen, warum er stets abends während der Arbeit von seinem Reichtum in Salzburg fantasierte, uns alle reich zu machen versprach und so sehr in Aufwallung geriet, dass wir für seinen Verstand fürchteten. (40) Anfangs wurde über seine Exstase gelacht, da er aber keinen Widerspruch duldete und hoch und teuer schwur, nach Salzburg zu reisen und uns nach seiner Wiederaufnahme von seinem fürstlichen Vermögen zu überzeugen, ermahnten wir ihn einst vormittags zum Scheine, sein Versprechen zu erfüllen.
Er packte nun um Weihnachten seine sieben Sachen und marschierte nach Salzburg. Nach der Hand erzählte uns der Oberkellner vom Goldenen Ochsen, dass ihnen aus dem Keller so viele mit Wein gefüllten Boutaillien unerklärlich verschwunden seien und da beim Ausputzen der Gesellenzimer unter dem Strohsack des Bettes, wo Nischitz früher schlief, eine Menge leerer Flaschen gefunden wurde, so war das Rätsel gelöst.
Nach vier Wochen schrieb er uns von seiner herzlichen Aufnahme, dem herrlichen Wohlergehen und seinem Ansehen als künftiger Krösus. Wir wünschten ihm alles Glück zu seinen neuen Verhältnissen.
Am nächsten Christihimmelfahrtstage war das Fest am Florianiberg bei Graz. Um halbfünf Uhr früh waren wir schon bereit, dahin zu gehen. Aber wer beschreibt unser Erstaunen, als Josef Nischitz in sehr defektem Zustande, mit verstörter Miene und ohne Reisegepäck daherkam und uns erzählte, dass er infolge seines Wohllebens wieder in die alten Laster verfiel, sich nicht beherrschen konnte und sich derart versoff, dass er standepede davongejagt wurde. Er hatte nun sein Glück für immer verscherzt. Wir liehen ihm für den heutigen Tag bessere Kleidung und nahmen ihn mit zu Florianifest. Abends heimgekehrt nahm ihn Herr Rucker wieder bis auf Weiteres als Gesellen auf und Nikschitz arbeitete wieder so brav und fleissig und nüchtern wie vor und ehe.
Nach etlichen Tagen kam ein bekannter Binder Türk von St. Gotthard in Ungarn und brauchte einen Gehilfen. Rucker trug ihm den Nikschitz an und dieser ging gleich mit. Nach vier Wochen kam Türk wieder nach Graz mit der Äusserung, dass er doch keinen ärgeren Lumpen erhalten konnte als diesen Nikschitz. Vierzehn Tage war es mit ihm auszuhalten, dann wurde er entlassen, und da seither von Nikschitz nichts mehr zu hören war, so meinte Türk, der Kerl mag gewiss unter die Räuber gegangen sein.
.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen