Donnerstag, 14. Januar 2010

20. Flucht - Gscheiter als der Vater - Meister mit 20

    Um drei Uhr früh gingen meine Eltern in Handelsgeschäften aufs Land, und um vier Uhr früh begehrte eine Patroullie Einlass, indem sie gewiss wüsste, dass ich in dieser Nacht nach Hause gekommen sei.

     Meine Schwester Marie, die von meiner Ankunft nichts wusste, diskutierte mit den mich am Boden suchenden Gerichtspersonen, während ich mich am Dache hinter dem Rauffange dukte; und die Kommision musste leer abziehen. Ich sagte dann der Schwester, dass ich mich in die Eggenberger Allee begeben werde und stieg über unseren und des Nachbars Zaun, schlich über die Wiesen und Felder fort ins Freie. Und da zum Besitze und Betriebe des für mich angekauften Bindergewerbes meine Grossjährigkeitserklärung nötig war, kam mein Vater nach und ging mit mir in die Kanzlei zu Eggenberg als Vormundschaftsbehörde.

     Auf die Frage des Rentmeisters Johann Nepomuk Weber, ob ich wohl zur eigenen Vermögensgebahrung die nötigen Kenntnisse besitze und Fähigkeiten dazu habe, sagte mein Vater: «Mein Sohn ist gescheiter als ich selbst!»

     (48)  Ich hatte bisher wohl erstaunlich viel gelesen, war von der Normalschule her gut unterrichtet und aus Büchern in der Länderkunde sehr erfahren, sowie zum Betriebe meiner Profession vollständig kundig. Was aber nötig war, eine selbständige Häuslichkeit zu begründen und zu behaupten, das mussten erst Zeit und Umstände lehren. Spät abends gingen wir zu dem erwähnten Anton Hernegger, Wäscher am unteren Grazbach, wo ich 14 Tage in Verborgenheit lebte und in dieser Zeit beim Wäsche Rollen und Bügeln fleissig geholfen habe.

     Mittlerweile wurde die Grossjährigkeitserklärung erledigt und ich an den Besitz des Realgewerbes geschrieben, und erst jetzt durfte ich aus meinem Verstecke hervorkriechen und mich wieder ohne Anstand auf die Gasse wagen.

     Ein Abenteuer während meines Exils beim Hernegger sei hier erwähnt: Dessen Arbeitsleute hatten eines Abends sehr viel zu bügeln und dabei sehr viel Durst, aber niemand hatte Zeit, einen Trunk zu holen. Es war stockfinster und ich wagte es, zum nächsten Gasthause um Bier zu holen. Kaum zehn Schritte entfernt erscholl ein furchtbarer Ruf: «Halt wer da?» Bald hätte ich vor Schreck den Krug fallen lassen und ich glaubte, entweder die geheime Polizei oder der Teufel hat mich schon am Kragen. So viel Geistesgegenwart hatte ich aber doch «gut Freund» zu antworten, wonach ich frei passieren konnte. Am Rückwege jedoch wurde ich wieder angeplärrt. Die Sache erhielt ihre Aufklärung dadurch, dass dem Wäscher gegenüber eine dem Militär als Wagenremise verpachtete Hütte nur des nachts von Soldaten bewacht wurde, bei Tage aber keine Schildwache dort stand. Ich hatte nun die Winkler'sche Binderwerkstätte samt allen Werkzeugen und dem Gesellen Jakob Matzer in der Kurvorstadt, dem Elefanten gegenüber übernommen, und musste sogleich ein zwanzigeimriges Fass als mein Meisterstück in die Arbeit nehmen. Zugleich mit den Bindern Johann Zorn auf der Lend und Anton Mauchart im dritten Sack wurde ich –  erst zwanzig Jahre alt – Meister, und bald darauf mit den Kürschnern Gottschaber und Auss, auch Bürger, wonach ich auch wieder dem neu errichteten uniformierten Bürger-Korps beitrat.

     Meine Eltern haben einstweilen mich samt Gesellen und dem Lehrbuben mit der nötigen Kost versorgt, jedoch auch gedrängt, mich um eine reiche Braut umzusehen, mit deren Vermögen ich ein Haus kaufen könnte.


     (49)  Ich hatte zwar das platonische Herzensverhältnis mit der benannten Reinhold Pepi fortgesetzt, obwohl ich infolge der zwischen den beiderseitigen Eltern herrschenden Abneigung kein Resultat erhoffen durfte, und den Wankelmut der Pepi kannte. Denn sobald die von ihren Eltern begünstigten Freier, der Weissgärber Hoffmann und der Schmiedemeister Thomas Horitzer – jeder über vierzig Jahre alt – ihr den Hof machten, brach sie mit mir das Verhältnis ab, in der Meinung, bei anderen eher unter die Haube zu kommen, als bei mir. Und als ihre Heiratsprojekte in Nebel zerfielen, war ich verblendet genug, ihr noch weiter den Narren abzugeben und konnte sehr böse werden über solche Personen, die ihr näher waren, ihren Karakter kannten und über sie wenig Gutes zu sagen wussten.

     Mein Vater war so gutmütig, sonntags vier Uhr früh die eigene einspännige Gelegenheit in Stand zu setzen, wenn ich um sechs Uhr früh wieder mit der dicken Pepi eine kleine Lustfahrt machen wollte. Da fuhren wir beide auch am 29. Juni nach St. Peter bei Graz und sahen dort auch den Schmied Horitzer.


Als wir am Gasthause weg- und zurückfuhren, riefen uns mehrere Leute nach, dass ein hinteres Wagenrad sogleich von der Achse sich löse. Ich suchte eine Strecke weit zurück nach der verlorenen Achsschraube und hatte Verdachte, auf den Schmied Horitzer, dass er während wir in der Kirche waren, aus Eifersucht in boshafter Weise die Schraube abgenommen habe, damit wir, wenn das Rad abginge, aus dem Wagen fallen sollten.

     In St. Peter war kein Schmied zu Hause, um eine andere Schraube herzugeben und wir mussten langsam bis zur Reitschulgasse, wo wir beim dortigen Schmied eine passende Schraube um dreissig Kreuzer erhielten. Dann konnten wir erst richtig weiterfahren.

     Zu meinem Glücke fielen mir rechzeitig die Schuppen von den Augen, als der taube fünfzigjährige Schmiedmeister in der Karlau als neuer Freier auftrat und ich ihr dann ernstlich für immer entsagte. Da erkannte ich, dass ich mit der Pepi, die ein besonders dickes, fettes Genick hatte, wohl nicht glücklich werden könnte.
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