Je mehr Jux und Lärm entstand, desto behaglicher und fröhlicher fühlte er sich und liess die Zecher nicht früher fort, bis er sie selbst vor Rausch nicht mehr erkannte. Oft nahm er bei seinen Ausfahrten mich und mehrere Bekannte mit, die er immer bei den grössten Gelagen zechfrei hielt und war überglücklich, wenn es nur recht Spektakel gab. Kam Mandl in ein Gasthaus in der Stadt, so brachte der Kellner, der ihn schon kannte, Wein, Bier, Brot, Würste und Käse im Überflusse, denn wer nur da war, musste bei Vermeidung der Ungnade und Grobheiten zugreifen und sichs schmecken lassen.
Stand er mit Lebzelterwaren bei den Kirchtagsfesten, so benahm er sich dort gegen die ländlichen Schönen auf das Schamloseste. Wenn er dafür auch vom Verkaufsstande weg geholt und mehrere Stunden im Arrest angehalten wurde, so lachte er darüber, hatte er doch seine närrischen Streiche ausgeübt. Kam aber während des Teilhabens ein Regen, so war Mandl wütend, fluchte und schimpfte unbändig wie der roheste Bengel, packte die Lebzelterwaren samt Plache, warf alles in die Warenkisten und trat und stampfte darauf herum wie ein (51) Besessener, ohne zu achten, welchen Schaden er hatte.
Nach drei Jahren dieses wüsten Lebens hatte er schon solche Not, dass seine Gattin beim Mangel eines Dienstboten um dreiviertel auf zwölf ein Kind auf der Strasse ansprach, vom Greissler vier Lot Schmalz zu holen, damit sie das bescheidene Mittagsmahl fertigmachen konnte.
Aus der erfolgten Sequestration des Fidei-Commiss-Gutes, wozu auch das Haus neben dem Kaufmann Koch am Hauptplatze gehörte, erhielt Mandl nebst Verpflegung für seine Person noch täglich einen Silberzwanzger. Die Gattin kam ins Elternhaus zurück, und nach dem, durch Sauferei und bald erfolgtem Tode des damischen Mandl, kam das Fidei Commiss an den Lebzelter Mandl Johann, da laut Fidei-Commiss-Urkunde der Besitzer nur ein gelernter Lebzelter und geborener Mandl sein musste.
Nach dieser kleinen Abweichung von meinen eigenen Angelegenheiten muss ich doch wieder meine Heirats-Affairen besprechen. Wie es in solchen Fällen schon geht, waren mir von verschiedenen Seiten Partien angeraten worden.
Zum Gastwirt Schauer anfangs Karlauerstrasse, wohin ich oft mit meinen Eltern kam, ging auch ein pensionierter Hauptmann, namens v. Beck, mit seiner Nichte, die sechstausen Gulden Vermögen hatte. Die Wirtin Schauer drang sehr in mich, diese Reiche nicht auszulassen, da der Alte ihrer Obsorge überdrüssig und sie mir zu geben willens sei. So viel Einsicht hatte ich aber doch, dass eine Adelige nicht für einen armen Binder passt. Ich hatte zwar immer noch den herzigen Käfer, die Wagnerstochter Pepi Schwarzmann, in seliger Erinnerung und hatte auch der Frau Fels eine kleine Andeutung brieflich zugesendet, jedoch, wie schon so oft gesagt, fehlte mir immer die Redegabe, und der Mut, um Ernst zu machen, obwohl ich die Schwarzmann bisher als die Solideste kannte.
An einem Sonntag früh erhielt ich von meinen Eltern die Weisung, Punkt zehn Uhr zum Floriani-Wirt zu kommen, um dort die mir bestimmte Zukünftige in Augenschein zu nehmen und das Weitere zu besprechen, da von Hitzendorf eine Schulmeisterstochter mit ihren Verwandten und um diese Stunde auch meine Elter dahin kämen.
(52) Ich erkundigte mich aber dort viel früher und machte unerkannt die Bemerkung, dass die eben ankommende Hitzendorferin wegen ihrer grossen Schönheit und den leidenschaftlichen Blicken im Gegensatz zu meiner Schüchternheit und Unerfahrenheit meine Partie nicht sein könne. Ich machte mich vor Ankunft meiner Eltern aus dem Staube, liess die Gesellschaft vergeblich warten und hatte dafür nachträglich scharfe Verweise zu erdulden.
Mir selbst war es gerade nicht darum zu tun, verheiratet zu sein, doch wegen der eigenen Wirtschaftsführung war mir eine einsichtsvolle Ehegattin höchst wünschenswert.
Beim Goldenen Ross in der Maria-Hilfer-Gasse war eine fesche Köchin, die mir auch mehrseitig als gute Partie mit einigen hundert Gulden angeraten wurde. Da sie aber sehr lebenslustig war und den gegenüber befindlichen Schmiedsohn Leistentritt, welcher während seiner Tierarztstudien in Wien sich auch mit der erwähnten Johanna Seidnitzer unterhielt und ein bekannter Don Juan war, mit einem Mädchen beschränkte und ich im ganzen Wesen der Köchin ein zu leichtfertiges, schnippisches Benehmen bemerkte, so wollte ich mich da gar nicht der Gefahr eines Korbes aussetzen. Sie heiratete dann den erwähnten Schmied Horitzer, einen Böhmen, führte mit ihm im eigenen Hause nächst dem sogenannten Weissnegerhofe gute Wirtschaft, hatte aber aus extra Barmherzigkeit immer Gesellschaften aus dem Barmherzigen-Kloster bei sich.
Mein alter Freund Hernegger hatte zur Kundschaft auch eine Bäckerstochter aus Obersteier, welche in Graz lernen sollte, was eine bürgerliche, tüchtige Hausfrau benötigt. Hernegger machte mich auf diese Anna aufmerksam und es wurde verabredet, dass er samt Frau und Anna nächsten Sonntag in den Garten zum Johanniswirt in Münzgraben gehen werde und ich dann wie zufällig dahin kommen sollte.
Da hatte ich nun die beste Gelegenheit, die Anna zu beobachten. Ja, sie war hübsch, in jugendlicher Fülle, voll gewinnender Freundlichkeit, mit herzigen Grübchen in den Wangen, doch aus ihrem sehr gesprächigen Schnabel kamen mitunter sehr zweideutige Wendungen, die vermuten liessen, dass sie an Bekanntschaften keinen Mangel gehabt und sich dann als Gattin manche Freiheiten erlauben dürfte; (53) denn sie wusste vom flatterhaften Bäckermeister Egel sehr viel zu erzählen und hatte somit sehr leichte Grundsätze.
Ei, dachte ich mir wie bei der Hitzendorferin, ich sollte dann fleissig arbeiten, mich scherren und rackern, während die saubere Gattin auf meine Kosten sich von Schmetterlingen umflattern liesse. Das gibts nicht! Und da ich den Abgang an Kraft fühlte, gegen weibliche Übergriffe energisch auftreten zu können, so leitete mich mein guter Stern aus diesem Zauberkreise.
Nachträglich erzählte mir der über fünfzigjährige Johann Mierender, Lerchenwirt am Griesplatze, dass er auch Heiratsabsichten mit dieser Anna hatte, jedoch rechtzeitig gewarnt wurde, und mich sehr bedauert hätte, wenn ich aufgesessen wäre.
Der früher in der Karlau und nun am Gries etablierte reiche Bäckermeister Walenta, ein Tscheche, hatte eine viel jüngere Schwester bei sich, die war klein und vernünftig, in häuslichen Wirtschaftssachen kenntnisreich, flink, unermüdet, arbeitsam und hatte durchaus im Sinne, mich mit ihrer Liebe zu bestricken. Ich hatte für Walenta die Binderarbeiten zu besorgen und damit die Möglichkeit, dass die kleine Böhmin nur recht oft zu mir kommen konnte, weil im Hause Walenta bald Schaffl, Zuber, Bottich oder sonstiges Gefäss schadhaft und reparaturbedürftig war. Und da ich Walenta von Kindheit her kannte und er mir sehr geneigt war, hätte ich hier keine schlechte Partie machen können, aber ich konnte mich für diese böhmische Landschaft nicht begeistern.
Mit einem Kollegen aus der Normalschule, Josef Wadiach und Mathias Pilz, hatte ich die Kameradschaft fortgesetzt. Ersterer war als gelernter Maurer nun gut angestellter Zeichner bei einem Baumeister und Letzterer war Schmiedegeselle bei seinem Stiefvater Hacker am untern Gries. Die Schwester des Mathias Pilz, auch namens Anna, hatte auch alles Nötige für eine Hausfrau gelernt, war nicht übel aber beschränkten Geistes, sehr putzsüchtig und nicht haushälterisch, und hatte unter mehreren Verehrern sich den Wirtsohn Rauch als Erwählten erkoren. Und da ich sehr oft ihren Bruder besuchte, und Herr Hacker wusste, dass ich eine Gattin benögigte, zeigte er mir die Vermögens-Ausweise der Anna Pilz per dreitausend Gulden, wenn ich zugreifen wollte.
(54) Obwohl ich ihr in nur nachbarlicher Freundschaft nicht abgeneigt war, ihr eigenes Vermögen mir sehr angenehm gewesen wäre und ihr nach ihrer drei Häuser mit grossen Gärten besitzenden Tante Schnitzer vulgo Lakenhiaslin einst auch eine hübsche Erbschaft in Aussicht stand, so konnte ich mich doch nicht entschliessen, mit dieser Anna Pilz eine ernstliche Verbindung anzuknüpfen.
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