Der närrische Mandel
Unser Hausherr, Lebzelter Mandel, war ein besonderer Kauz. Die Realität samt Gewerbe und ein Haus in der Stadt am Hauptplatze besteht seit langer Zeit als Fidei Comiss. Ehe ich daselbst einzog, war ein Bruder des Bindermeisters Rucker, der Elefanten-Wirtin Plackel und der Zahnarztensgattin Staminger, auf dem Fidei-Commiss-Gute, wurde aber durch die Ränke dieser drei zärtlichen Schwestern zu Gunsten eines jungen, aufbrausenden und in der Fremde befindlichen Mandel auf dem Prozesswege vertrieben. Dieser Josef Mandel hatte bei seiner Rückkunft sogleich das Fidei Commiss Besitz- und Genussrecht übernommen, ohne den vorigen, alten Mandel das Warenlager abzulösen. Am Allerheiligentage richtete dieser vor dem Friedhofe einen Stand auf, um dort den Wachs- und Lebzeltervorrat zu verkaufen. Da kam der wutschnaubende neue Mandel, warf den Verkaufsstand um und zertrat alle am Boden liegenden Gegenstände, und der alte Mandel hatte kein Vermögen, um im Klagewege auf Entschädigung zu drängen.
(65) Er übersiedelte dann nach Wien und übernahm nächst der Paulanerkirche eine Greisslerei. Wenn ich zufällig dringende Arbeit hatte, so musste ich auf herrischen Befehl dieses tollen Sturmjackls Mandel in Gesellschaft mehrerer anderer mitfahren und an seinen oftmaligen schwelgerischen Gelagen in der Schönau, in Baierdorf oder in seinem Vorratskeller auf seine Kosten mitmachen, wo ich viel lieber zu Hause bei der Arbeit geblieben wäre, denn mich hatte es nie zu Saufgelagen gelüstet.
Die liederliche Wirtschaft bei ihm dauerte drei Jahre, dann kam alles unter Sequester. Mandel erhielt für seine Person volle Verpflegung und als Rekration täglich 20 Kreuzer. Da quälte er oft den Sequester auch um einen Silberzwanziger für morgen, und verputzte sogleich noch alles. Die Gattin kam zu ihrem Vater zurück und die zwei Kinder lebten zum Glücke nicht mehr.
Annas Jugendgeschichte
Jetzt erst komme ich dazu, die Jugendgeschichte meiner lieben Frau, welche sie mir treuherzig erzählte, aufzuzeichnen.
Sie kam, dreizehn Jahre alt, zur verheirateten Schwester Theres Plank in das alte Schloss Deutschlandsberg und musste dort alle Garten- und Feldarbeit mitmachen, sowie auch Kühe und Schweine füttern. Sie wuchs beim ländlichen Mahle und in frischer Luft kräftig heran und war gesund und lustig. Nach vier Jahren kam von Graz die Stiftsdame, Fräulein von Sailer, welche in Deutschlandsbeg beim vulgo Bruckenschuster eine Wohnung mietete und dann Verlangen trug nach einem gemütlichen Mädchen, (66) teils als Bedienerin und teils als Gesellschafterin. Da fiel ihre Wahl auf die kerngesunde Anna Knölly.
Fräulein von Sailer hatte grösste Zuneigung zu diesem talentvollen Naturkinde. Sie lehrte sie alle feinen Arbeiten, weissnähen, sticken, dann stricken und spinnen. Dann konnte Anna auf Kosten des Fräuleins in Graz auch das feine Kochen lernen. Wenn die Dame zum Besuche ihrer alten Freundinnen, Baronin Rothkirch und Hofratswitwe von Moshart nach Graz kamen, so nahm sie die Anna überall mit, bei welcher Gelegenheit sie sich auch ein vornehmes Benehmen aneignete.
Als sie dann wieder nach Deutschlandsberg kam, verliebte sich der dortige Steuereinnehmer Bernhard Edler von Mangold in sie, und sie sich in ihn. Daraus entstand ein zartes Liebesverhältnis. Er hatte als Adeliger freien Zutritt zur Stiftsdame und weil er täglich auf die ErLangung der ihm versprochenen Rentmeistersstelle bei der Fürstlich Lichtensteinischen Herrschaft Riegersburg wartete, machte er der Anna einen förmlichen Heiratsantrag. Sie konnte ja bei ihrem noblen Benehmen und allen Kenntnissen wirklich eine vornehme Frau darstellen.
Jedoch wurde unversehens in den Kassen Revision vorgenommen und ein bedeutendes Defizit entdeckt. Infolgedessen wurde Mangold verhaftet und nach einigen Monaten aus besonderer Gnade zum Gerichtsdiener in Leoben degradiert. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurde eine Schublade voll kleiner und grosser Lotteriezettel gefunden.
Die arme, um ihr erhofftes Glück unschuldig gekommene Anna ging in Scham und Verzweiflung von der gütigsten der Damen fort zu ihre Onkel, dem Überfuhrbesitzer in Sauritsch, namens Maister. Dieser verhalf ihr zu einem Dienst bei einem reichen, pensionierten Staatsbeamten, Coradi in Friedau, der drei schöne erwachsene Töchter hatte, welche die Anna sehr zärtlich wie eine Schwester behandelten. Herr Coradi selbst war von ihrem himmlischen Wesen so bezaubert, dass er ihr im grössten Ernste einen Heiratsantrag machte. Aber Anna konnte es in ihrer Sanftmut nicht übers Herz bringen, den drei Mädchen, die bereits älter waren als sie, eine Stiefmutter abzugeben.
Die Älteste der drei ehelichte den dortigen reichen Lederer Steinkowitsch und nahm die gute Anna mit sich. Da in diesem Hause lauter windische Dienstboten waren, lernte sie dort die slowenische Sprache, die ihr in der Folge sehr zu statten kam.
(67) Nach einigen Jahren war sie Köchin bei den Grafen Bathiany und Mazuschelle in Graz. Von jedem Kammerdiener dieser Herrschaften wurde sie mit Heiratsanträgen überschüttet. In Friedau wollte sie auch der Sattlergeselle Kapmaier, welcher sein Vaterhaus zu Dreifaltigkeit in Windischbüheln zu übernehmen hatte, zur Gattin haben. Ebenso auch der Fleischerssohn Göbl in Stainz. Ein Lehrer in Landsberg und ein Lehrer in Trahütten, hoch im Gebirge, waren von Anna ebenfalls hochbegeistert.
In Graz kam sie zum Fürsten Rosenberg auf der Herrschaft Freudenau, wo auch wieder der Kammerdiener Bernhard Taupe in Liebe gegen sie entbrannte. Nachdem sie dann dort, von heftigem Fieber geplagt, sich zur verehelichten Schwester Constanze Grimmer zu St. Andrä im Lavanttale wegen Luftveränderung und Erholung begab, wurde sie daselbst mit der Karoline Rohrau, Tochter des dortigen k. u. k. Pflegersadministrator recht innig befreundet.
Als beide Mädchen in der Kirche nebeneinander sassen, bemerkte Anna, dass Fräulein Rohrau statt des Gebetbuches Lessings 'Natan, der Weise' vor sich hatte und andächtig darin las. Auf die Vorstellung der Anna, dass weltliche Bücher doch nicht in die Kirche gehören, erwiderte Fräulein Rohrau, dass es ihr unmöglich sei, ein Gebetbuch in die Hand zu nehmen, seitdem sie 'Natan, der Weise' gelesen habe.
In St. Andrä waren besonders zwei Beamte und ein Schneidermeister, welche ausserordentlich in die Anna verliebt waren, obwohl sie von der Krankheit noch immer sehr bleich und matt aussah. Sie bezeigten ihr die grösste Ehrfurcht und begehrten sie wegen ihres Liebreizes zur Lebensgefährtin. Sie aber blieb fest an ihrem Vorsatze, in keine Liebelei mehr einzugehen, da ihr das erste Heiratsprojekt mit Mangold verunglückte.
Als sie dann 1829, noch bleich und doch voll Grazie und Liebreiz, zu ihren Eltern nach Graz kam, war es kein Wunder, dass ich als ihr dreizehnter Verehrer sterblich in sie verliebt wurde.
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Ich hab mal gelesen dass eine Greisslerei auch ein Winkler ist. Das ist einer der so einen Laden hat und oft an einer Strassenecke seinen Laden hatte. Kann das aber nicht prüfen, ausser ich schaue in Wikipedia nach.
AntwortenLöschenMei, Du bist aber fleissig! Ich mag die Bilder - die passen so gut zur Geschichte.