Donnerstag, 4. Februar 2010

32. Nachbar Lustiger und der Schlamm

    Als der 80jährige Nachbar Lustiger meinen unermüdlichen Arbeitseifer sah, machte er mich aufmerksam, dass der Platz vor unserem Hause rechts zu unserer Besitzung gehöre, vor vielen Jahren ein Garten war, und der Zaun vom ärmlichen Vorbesitzer nach und nach als Brennholz vertilgt worden wäre.

     Lustiger zeigte mir die Grenzen und ich beeilte mich, diesen Flächenraum einzuzäunen. Der Magistrat, welcher die Fläche als Gemeindeeigentum erklärte, wollte über meinen vermeintlich unberechtigten Eingriff protestieren. Ich aber berief mich auf sehr alte Männer als Zeugen, dass seit dem Verschwinden des alten Zaunes noch keine 30 Jahre verflossen seien. So war der Streit behoben.

Bei dem eine Stunde entfernten Schloss Brunnsee ist ein Teich, welcher seine eigenen unterirdischen Quellen hat, daher das Schloss ursprünglich Brunnsee hiess. Das aus diesem Teiche rinnende Wasser fliesst als kleiner Bach an unserer Besitzung vorbei und fort in die Mur.

Infolge übermässiger Hitze 1834 versiegten fast alle Brunnen und Quellen, wobei auch der unsere Besitzung 30 Klafter lang begrenzende Bach ganz austrocknete. Ich hatte daraus den 2 Schuh tiefen, fetten Schlamm mit vieler Mühe herausgefasst und damit im neu eingezäunten Grunde einen Gemüse- und Blumengarten angelegt. Vor der Pflanzung hab ich in kurzer Zeit 9 Gulden eingenommen. Ein bei uns eingekehrtet Tuchmacher jammerte, dass er schon lange auf der Reise wäre, ohne Arbeit zu finden und sagte, dass er schon jede Arbeit angehe Ich trug ihm nun die Schlammarbeit an. Er wurde mit 1 Silberzwanziger-Groschen Taglohn nebst voller Verpflegung mit mir einig. Doch dieses Geschäft behagte ihm nicht. Des anderen Tages nahm er wieder sein Felleisen und sprach, es müsste wohl ein schlechter Tag sein, der ihm beim Fechten nicht 3 Silber-Zwanziger Kreuzer einbrächte. Mit diesem Fechtbruder war also nichts zu machen. Ich arbeitete aber unverdrossen an dieser Schlammgrabung fort.


     (81)  Eine halbe Stunde aufwärts war der sogenannte Eichacker, welcher den daneben fliessenden Bach oft überschwemmte. Dahin führte ich mit eigenem Fuhrwerke die ausgegrabene Erde. Der Nachbar Lustiger, der mit zwei Ochsen auch von diesem Schlamme dahin sehr viele Fuhren beförderte, erhielt dafür von mir 14 Gulden konv. Münze. Dadurch wurde der Acker bedeutend erhöht, vor Überflutung gesichert und erträglich kultiviert. Nach mehr als vierzehn Tagen lebten in dem Schlamme noch zahlreiche Fische, sogenannte Steinbeiss oder Bissgumen, welche in schwachem Essig gesotten sehr gut zu verspeisen waren. Fast alle Leute vom Markte kamen, um unseren neuen Garten voll kräftiger Gemüse und Blumen zu sehen und zu bewundern. Wir selbst hatte eine grosse Freude daran; die Bemühungen waren nicht umsonst.

     An der Sonnenseite des Hauses waren drei Weinranken, an welchen ich am Fronleichnamstage zusammen 500 Trauben zählte. Da gab es im Herbst viel zu naschen. Auch mit der Schweinezucht hatten wir Glück. Während wegen zu grosser Hitze fast bei jedem Hause kranke Schweine waren und viele verendeten, begoss ich unsere täglich ein paarmal mit frischem Wasser und sie blieben gesund.

     Wir waren für unseren Schmalzbedarf hinlänglich versorgt und konnten um 100 Gulden Schweine verkaufen. Der Nachbar Lustiger hatte mit einem Paar Ochsen auch unsere, an seinen Grund angrenzenden Acker gepflügt, und ich habe gesät. Wenn dann der Korn- oder der Weizenschnitt hermachte, sichelten seine Taglöhner zuerst sein Getreide, dann unseres, wobei ich für 11 Schnitterinnen sehr fleissig sein musste beim Garbenbinden.

    Den auf uns entfallenden Teil des zu zahlenden Arbeitslohnes hatte Lustiger immer billiger berechnet. Korn und Weizen hatten ich und meine Gattin selbst ausgedroschen. Arbeit war genug vorhanden. Das Wirtschaftsgeschäft war zu besorgen, die Kuh abzuwarten, den Geflügelhandel zu betreiben und auf das Kind zu sehen. Nebstbei hatte die äusserst emsige Frau abends so fleissig gesponnen, dass zu eigenem Bedarfe genug Leinwand erzeugt wurde.

     In unserem Hause wohnten zwei ledige Schwestern, die auf Tagwerk gingen und dann, wenn es Not tat, uns bei der Feldarbeit und beim Waschen aushelfen mussten. Als in Mureck die Volkszählung war, hatte ich dabei diese über fünfzig Jahre alten Schwestern als Jungfrauen angegeben. Da schlug der fungierende, heissblütige Oberleutnant von Baumbach mit der Faust kräfig auf den Tisch mit der Äusserung: «Dies glaubt der Teufel – fünfzig Jahre und noch Jungfrau?»

     (82) Nebenbei hatte ich nach allen Gegenden mit unserer Gelegenheit Personen zu befördern. In unserer Dreschtenne hatte ich meine Werkstätte zu verschiedenen Binder- und Tischlerarbeiten. Da der Häckselschneider nicht immer zu haben und über dies zu teuer war;
denn er verlangte für eine Stund Arbeit 10 Kreuzer, 1/8 Schnaps und ein Stück Brot. So nahm ich vom Hausknecht des Einkehrgasthauses den Strohstock zu Leih und schnitt selbst Hack, d.h. Häcksel. Als ich dann wieder die Häckselbank zu leihen nehmen wollte, erhielt ich sie nur gegen Trinkgeld und zugleich die Weisung, mir selbst eine solche anzuschaffen, da sie mit dem Ausleihen nicht besser werde. Ich schnitt nur so viel Häcksel, dass ich damit für das Pferd mehrere Monate auslangte und beschloss, selbst eine Häckselbank anzufertigen. Ich ersuchte den Lederermeister Kranzlbinder, mir seine Hobelbank zu leihen. «Nicht wahr», hat er gesagt, «diese Bank ist nett gemacht und gerade eine solche lassen Sie sich machen.» Aus Grossmut erlaubte er mir, von der Hobelbank das Mass nehmen zu dürfen.

     Beim Sixtmüller kaufte ich mir um 3 Gulden einen eichenen, starken Pfosten und verfertigte für uns selbst eine hübsche, starke Hobelbank, wozu ich die Holz- und Eisenschrauben nebst Bankhaken in Graz kaufte. Die erste Arbeit war nun der Strohstock, welcher stark und nett ausfiel, dass man damit so fein wie Kleien schneiden konnte, und ich in kurzer Zeit nach einer Bestellung 10 Stück erhielt und auch verfertigte.
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