Mittwoch, 17. Februar 2010

39. Das kann ich auch! In Gottes Namen.

     Um mich ganz ungehindert dem Schreibgeschäfte zu widmen, hatte ich beschlossen, Pferd und Wagen zu verkaufen. Da kam der Wachtmeister Pachtschy und verlangte, ich sollte ihn zu seinem Urlaube nach seinem Geburtsorte Pest führen. Ich erkundigte mich beim Zimmermeister Gomboz, ob es für mich wohl ratsam sei, nach Ungarn zu fahren, da ich noch nie dort war. Gomboz, der viele Jahr in Ungarn beim Mühlen- und Brückenbau beschäftigt war, riet mir, nur bis Lendva, eine Tagesreise von Mureck zu fahren, denn weiter fort wären schon lauter Räuber. Und da man stets hörte, dass in Ungarn alles so billig sei, nahm ich kein Pferdefutter mit. Aber wegen Mangel desselben auf allen Stationen musste das Pferd viel Hunger leiden. Erst im Rückwege in Radkersburg konnte es sich sättigen. Kaum hatte ich das Pferd verkauft, samt Wagen, wurde in unserem Gasthaus der in Gersdorf gebürtige und als Deserteur und Räuber gefürchtete vulgo  Bartl Hansl erkannt und nach heftiger Gegenwehr festgenommen. (97) Da schwur er, unser Haus und der ganze Markt soll in Flammen aufgehen. Da kam zufällig ein Käufer, und wir verkauften die Realität, wo wir so glücklich waren, an Mathias Schwinger um den sehr geringen Gewinn von 60 Gulden, und wir zogen dann beim Riemer Schreiber im 1. Stock in eine Wohnung, wonach die Menge überflüssiger Gerätschaften in öffentlicher Lizitation verkauft worden sind.

     Meine liebe, brave Frau konnte nach den vielen Strapazen einmal ein wenig ausruhen und übernahm einstweilen die Stelle einer Stricklehrerin.

     Binder Götze lud mich ein, die für den Seifensieder Dirnböck und für den Herrn Russky im Schlosse Spielfeld gemachten und im Bräuerstadel liegenden grossen Fässer zu besehen, welche eben vom Bildhauer von Radkersburg mit Zierraten versehen würden. Als ich bei dieser Arbeit zusah, kam mir der Gedanke, das kann ich auch, obwohl von dieser Bildhauerarbeit die Rede war, entschlüpfte mir die Äusserung, dass ich sowas auch könne.

     Nachdem die Kirchenvorstehung beschlossen hatte, im Hause der Pfarrkirche grosse Reparaturen auszuführen, war auch der allseitige Wunsch vorhanden, statt des sich umdrehenden Tabernakels einen solchen mit zwei Flügeltüren und Schnitzarbeit, wie bei den Franziskanern zu Graz, herstellen zu lassen. Wer wird aber die Bildhauerarbeit verrichten? Deshalb mit Grazer Künstlern zu verkehren, kam der Kirchenvorstehung zu umständlich vor. Da fiel dem August Kolletnigg, Sohn des Kirchenvorstandes meine im Gasthaus gemachte Äusserung ein. Mir wurde sonach die Arbeit übertragen und es stieg mir ganz heiss auf. Ich war nicht imstande, mich zu entschuldigen. Auf vieles Zureden des Herrn Pfarrers und Herrn Kolletnigg musste ich an der Aussenseite eine Weingirlande und rechts eine Weizengarbe in erhabener Schnitzarbeit anbringen. Nachdem ich die Zeichnung hierzu entworfen und das geistliche Gutachten hierüber eingeholt hatte, ging ich, nicht ohne Furcht vor Schwierigkeiten, wie immer in Gottes Namen an die Arbeit.

     Mit dem Federmesser, einem Hohl- und einem kleinen Stemmeisen war ich ausser der Kanzleistunden tätig. Je mehr die Sache wider alles Verhoffens vorwärts ging, schwand auch die Furcht. Der Herr Pfarrer und viele andere kamen täglich, um sich vom Gelingen zu überzeugen. Ich habe eine Girlande mit neun Trauben mit vielen Rebenschnörkeln und Blättern, dann die Weizengarbe mit unzähligen Ähren auf das Feinste ausgearbeitet. Das Ganze wurde dann vom Kirchenmaler vergoldet.

     (98) Nach meiner von allen mit grösstem Beifalle beehrten Arbeit hatte ich auch bei manchen Statuen und in der Kirche fehlende Finger, Zehen, Heiligenscheine etc. herzustellen, und wurde auch für meine Mühe belohnt.

     Der vierzehnjährige Sohn des Wagnermeisters Braun erbat sich die Erlaubnis, beim Ausmalen der Kirche mithelfen zu dürfen; dieser Bursche hatte die besten Malereien hergestellt. Später ging er selbst zum Militär und wurde Artillerie-Feuerwerker.

Da ich öfter in den Pfarrhof kam, hatte ich einmal die Gelegenheit zu bemerken, wie Kaplan und Messner sich um die von Landsleuten in der Patrizier-Kapelle dargelegten Opfer an Fleisch, Würsten, Speck, Eier, Flachs etc. stritten. Nachträglich hatte ich auf Götzsche Veranlassung auf mehreren Fässern Namen und Jahrzahl gestochen und dabei manchen Gulden verdient.


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Kommentar  ( 17. Februar 2010 )  Eberhard Winkler:

     Es war im Jahr 1995, als wir, Rosemarie und ich, die Steiermark bereisten und das Schreibmaschinen-Exemplar der Neuhold-Saga dabei hatten. Immer wieder lasen wir darin und wir waren ja voll in die wunderschöne Landschaft eingetaucht.

    Da lasen wir auch dieses Kapitel hier über die Schnitzkunst in Mureck, also fuhren wir nach Mureck und suchten nach der Kirche, fanden auch die Kirche, ganz markant im Ortszentrum, aber nicht die richtige. Da war grad Gottesdienst, es war Sonntag. Also warteten wir und waren überzeugt, den Pfarrer mit Neuholds Bericht zu begeistern. Der war aber so was von unfreundlich und abweisend und uninteressiert, dass uns schier der Mut verliess, weiter zu forschen. Schliesslich klärte er uns widerwillig auf, dass "die richtige", die alte, kleinere Kirche jetzt eine Rumpelkammer sei und noch hinter der neuen, grossen Kirche stand. Ja, ja, wir können dort schon rein, wenn's unbedingt sein muss.

    Ich glaube, wir kriegten sogar einen Schlüssel, und tatsächlich: Eine Rumpelkammer! Alte Bänke, verschobene Altare usw. Wir stiegen über Hindernisse und suchten die Altare (oder sagt man Altäre? - Googeln bei canoo.net:  Man sagt Altäre). Wir suchten nach dem von Neuhold beschriebenen Tabernakel. Halleluja, da ist er! – allerdings etwas heruntergekommen. Gleich haben wir die Kamera gezückt und mehrere Bilder geschossen. 

     Ja, die Bilder – die sind irgendwo, nach 3 Umzügen seither, irgendwo. Gesucht und noch nicht gefunden. Sobald ich die hab, werd ich sie noch nachträglich hier reinstellen. Ich hab auch meinen Vertrauensmann in Graz, ebenfalls ein Nachfahre von Johann Neuhold gebeten, ob es ihm nicht möglich wäre, eine Reise nach Mureck zu machen und das Kircherl aufzusuchen und digital zu knipsen. 

    Neuhold schreibt oben im 4. Absatz: "... an der Aussenseite eine Weingirlande und rechts eine Weizengarbe ..." Das ist andersrum: Die Weizengarbe ist links und rechts ist die Weingirlande. Was solls, wir wissen nicht, wie lange nach der Schnitzerei JN seine Aufzeichnungen machte. Jedenfalls waren wir sehr berührt, so markante Fussspuren dieses Ur-Ur-Grossvaters zu finden.
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