Montag, 22. Februar 2010

43. Als Steuereintreiber im windischen Reiche

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     Im Orte Dreifaltigkeit in Windischbühel, vier Stunden von Mureck im Mittelpunkte zwischen Radkersburg, Pettau (heute Ptuj, Slowenien) und Marburg (an der Drau – heute Maribor, Slowenien), war ein Fleischhauer, Realitätenbesitzer und Weinhändler namens Mathias Zürngast, welcher sich auch mit Pachtungen von Verzehr-Steuer-Bezirken befasste und für den von ihm entlassenen Buchhalter Schubert einen Revidenten und Geschäftsführer benötigte. Sein Schwager, Lederermeister Schmölzer in Mureck erhielt die Weisung, einen brauchbaren Mann aufzutreiben, da wieder sieben neue Bezirke gepachtet wurden. Schmölzer wusste, dass ich vier Jahre und drei Monate treu und redlich beim Syndikus ausgehalten hatte, sehr verlässlich und eben ohne Beschäftigung war; so trug er mir die Stelle an. Mir ging es fast heiss über den Rücken. Ich entschuldigte mich, dass ich von einer Geschäftsführung der Verzehrsteuer-Pachtung nicht den mindesten Begriff hatte.

     Schliesslich sagte ich – auch auf Antrieb meiner lieben Frau – zu und versprach, vor Übernahme der neuen Bezirke Ende Oktober 1839 zu Herrn Zürngast zu kommen.

     Montag, Dienstag, dann Mittwoch Vormittag war ich unter Schneegestöber in Gesellschaft von 25 Jagdfreunden in dem Chirurg Blümel zu St. Peter am Ottersbach gehörigen Jagdggebiete, wobei es sehr unterhaltend zuging und ich ohne einen Schuss zu tun, doch einen Hasen nach Hause brachte.

     In meiner Abwesenheit weinte die arme, gute Frau in Besorgnis und Kummer, dass ich die Stelle versäume. Nach dem Mittagessen herzte und küsste ich die zärtliche, liebevolle Gattin und die Kinder und machte mich auf den Weg nach dem windischen Reiche. Auf unbetretenen Pfaden musste ich fünf Stunden im Schnee fortwaten, bis ich um sieben Uhr abends ermattet in Dreifaltigkeit ankam. Ich wurde mit Sehnsucht erwartet und freundlich aufgenommen. (105)  Nach dem Abendmahle wurde die monatliche Besoldung per 25 Gulden vereinbart und mir die nötigste Instruktion erteilt. Nach Einsicht in die bisherige Buchführung ersah ich wohl gleich die Verworrenheit und Mängel derselben und erkannte die Notwendigkeit einer dringenden Reform.

     Anderntags wurde die Reise zur Übernahme des neuen Bezirkes Wildon etc. unternommen. Nach acht Tagen zurückgekehrt, unternahm ich sogleich von Grund auf eine neue Geschäftsgebahrung, damit in Einkünften und Ausgaben eine Klarheit bestand.

     In jedem Bezirk war ein Mann als sogenannter Bestellter zur Übernahme der steuerpflichtigen Wirte und Fleischhauer, mit monatlicher Besoldung von 20 Gulden angestellt. Anton Stramlitsch, Wirt in St. Leonhard und Josef Grünwald, gewesener Artillerie-Korporal und nun Hausbesitzer in Dreifaltigkeit, waren zur Revision und Gelderhebung bestimmt, und ich hatte über alle die Oberaufsicht und Buchführung in der Kanzlei. Zürngast hatte in Voitsberg ein Haus gekauft und dort wie in Frohnleiten, Weinniederlassungen errichtet. Die in diesen Bezirken befindlichen Bestellten mussten den Verkauf der Weine besorgen und ich hatte die Gelder einzukassieren. Mit der Zeit hatte Zürngast 29 Bezirke in Pacht. In der Kanzlei zu Mureck hatte ich mir so viele Kenntnisse erworben, dass ich für jeden Bezirk die Offerten, dann Kautionen und Sicherstellungs-Urkunden für die jährlich an das Ärar zu zahlende Pachtschillinge pro 42000 Gulden verfassen und an die Finanzbehörden vorlegen konnte.

Mein Gehalt wurde auf 35 Gulden erhöht; denn ich hatte einen ausserordentlich beschwerlichen und verantwortlichen Dienst: Alle 14 Tage sämtliche Bezirke von Friedau bis Knittelfeld zu Fuss bereisen, die 1000 Steuerpflichtigen zu besuchen, deren Geschäftslokale zu revidieren, Steuergelder zu erheben und die monatlichen Pachtraten an das Ärar abzuführen. Jeden Monat war ich auf eigene Kosten bei jeder Witterung 18 Tage auswärts, dann zur Verrechnung, Übergabe und Verbuchung der Gelder, dazu Eintragung aller Vorkommnisse durch 12 Tage, täglich von 6 Uhr früh bis 11 Uhr nachts in der Kanzlei anstrengend beschäftigt. Und ungeachtet meiner ledierten und noch immer schmerzhaften Hand konnte ich noch immer alles pünktlich vollführen.

     Von mehreren Seiten kam mir die Bemerkung, ich müsste eine eiserne Natur haben. Auf meinen Reisen hatte ich oft 5000 bis 6000 Gulden in der Tasche und musste öfters um Zeit zu gewinnen, um auch meine Familie in Mureck besuchen zu können, bis spät in der Nacht über Berge und durch Wälder wandern. 

     (106) Vor Räubern hatte ich keine Furcht. Ich verliess mich auf meinen Stilettstock und kam unbesorgt manchmal erst um 11 Uhr nachts zurück, obwohl der eineinhalb Stunden lange Burgstallberg im üblen Rufe stand und fast sämtliche Bewohner dieser Gegend wegen Raub und Diebstahl schon im Arrest waren. Zum grössten Glücke war mir nie etwas Unangenehmes passiert.

     Inzwischen war meine herzensgute Gattin mit den Kindern nach Dreifaltigkeit übersiedelt und im Hause des Schulmeisters Schönwetter, wo ich die Kanzlei hatte, Wohnung genommen. Der Pfarrer war der vertrauteste Freund des Schulmeisters und dessen Gattin wieder die innigste Freundin des Pfarrers. Dieser liess den Sohn des Schulmeisters studieren, und wenn die Tochter im Chor sang, meinte man eine Katze zu hören.

     In Dreifaltigkeit war auch der erwähnte Kapmaier, der in Friedau damals meine liebe Anna Knölly mit Heiratsanträgen quälte, als Sattlermeister ansässig. Er hatte eine gute Frau und zwei Kinder. Hier im Orte war des Jahres fünf mal Markt und grosse Scharen Andächtiger. Gewöhnlich waren hier acht Gasthäuser, zu Marktzeiten aber doppelt so viele. Da sämtliche Gastlokale samt Nebengebäuden nicht alle Fremden unterbringen konnten, blieben oft mehrere hundert über Nacht auf Rasenplätzen im Freien und sangen oft bis Mitternacht. Besonders Windische waren angenehm zu hören. Als ich einst zufällig beim Fenster hinaussah, bemerkte ich unter den ankommenden Wallfahrern eine sehr gemütliche, aber von der Reise sehr ermüdete Frau. Ich trug ihr sogleich Unterkunft bei uns an, da bereits alle Gasthäuser überfüllt waren. Sie nahm die Einladung an. Ich führte sie ins Haus – und welche Überraschung? Sie war die erwähnte Lederermeistersgattin Seinkovitsch von Friedau, und die beiderseitigen Freuden des Wiedersehens waren grossartig.

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Kommentar von Eberhard Winkler, 22. Februar 2010:

     Ich google gern und gut, aber bei zwei Objekten finde ich mich nicht zurecht. Wer kann mir sagen, was ein Lederermeister (im ersten Abschnitt) ist. 

     Und wer hat eine Ahnung (oder noch besser Gewissheit), wo der Ort Dreifaltigkeit liegt und wie der Ort heute heisst. Schon klar, oben, im ersten Abschnitt wird beschrieben, er liegt in der Mitte des Dreiecks Radkersburg, Pettau (Ptuj) und Marburg (Maribor). Ich hätte aber gern etwas Genaueres gewusst. 

     Danke für Hinweise.  Eberhard
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1 Kommentar:

  1. Von Brigitte in München bekam ich per eMail folgende Nachricht:

    Lieber Eberhard,

    ein Lederermeister ist ein Kürschner, in alten Zeiten vielleicht auch der Mann bei den Rittern und beim Militär, der dafür gesorgt hat, daß die
    Lederverbindungen in Ordnung waren.

    Dreifaltigkeit heißt heute Sveta Trojica, eigentlich klar, und ist östlich von Lenart.

    Ich hab einfach auf die Karte geschaut, habe also kein Geheimwissen.

    Dita

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