Freitag, 12. Februar 2010

36. Traurige und glückliche Frauenschicksale

     Unser Nachbar, der erwähnte Bindermeister Götze, wollte die noch ledige Tochter des Wirtes Haas, welche wohl gross und stark, von sehr gutmütigem, solidem Charakter und ihm auch zugetan, zur Gattin nehmen. Als sie aber diese Angelegenheit dem Kaplan vortrug, war dieser fanatisch genug, sie zur ewigen Verdammnis zu verurteilen, wenn sie den Götze, einen Protestanten, heirate. Er malte ihr die Hölle mit so grässlichen Farben, dass die arme Braut darüber irrsinnig wurde.

     Götze wollte sie dennoch nicht aufgeben, und der gutmütige Herr Pfarrer versprach, die eheliche Einsegnung zu vermitteln, wenn durch ärztliches Zeugnis erwiesen werde, dass die Braut bei voller Vernunft sei. Der diesfalls etliche Male von Marburg geholte Kreisfisikus konnte jedoch kein gültiges Zertifikat ausstellen, da die Bedauernswerte infolge der durch Fanatismus erzeugten Lähmung ihrer Denkkraft in stillem Wahnsinn dahinbrütete und nie mehr gesund wurde.

     Götze war bemüssigt, bei seiner bedeutenden Hauswirtschaft nebst Weinhandel eine Hausfrau zu haben, aber wo er anklopfte, wurde der Protestant abgewiesen. Nun blieb ihm der Übertritt zum Katholizismus. Als er davon aus dem Pfarrhofe zurückkehrte und mir begegnete, sagte er: «Nun hab ich die Dummheit also gemacht!» Er hatte dann eine vermögliche Schmiedstochter im Dorfe Tratten geheiratet, die aber dem Weine ihres Mannes zu sehr huldigte und nicht lange lebte.

     Götze war ein grosser, starker Mann, arbeitete selbst so viel wie seine zwei Gesellen und konnte auch fast täglich vier bis fünf Mass Wein bei der schweren Binderarbeit vertilgen. Gegen uns war er der beste Nachbar. Wie oft machte er unseren Kindern Präsente von gutem Obst, Trauben, Kuchen. Wenn er dringend Arbeit hatte, half ich gegen Bezahlung mit. Nun begriff ich erst, warum alle seine Vorbesitzer auf dieser Realität zu Grunde gingen, weil sie lauter Lumpen waren und statt zu arbeiten immer in den Wirtshäusern herumlungerten.

     Nachdem Götze durch Fleiss und Weinspekulationen in (91) kurzer Zeit wohlhabend wurde, heiratete er des Seilermeisters Magd, eine arme Keuschlers Tochter bei Leutschach, und traf eine glückliche Wahl. Und da Götze in seinen Geschäften grösseren Geldverkehr hatte, war die zweite Gattin so pfiffig, von den nach und nach heimlich für sich gesammelten Geldern bei der Hauswirtschaft notwendige Sachen: Leinwand, Tisch- und Bettwäsche-Zeug etc. einzukaufen. Sie wusste es so einzurichten, dass alles von ihr Eingekaufte als von Leutschach kommend per Post zum Hause kam, so dass Götze der Meinung war, ihre Eltern müssen doch vermöglich sein.

     Bei der benachbarten Herrschaft Obmureck war ein schöner, grosser Mann, Klenofsky aus Polen, bei 40 Jahre alt, ledigmals Grundbuchführer. Er hatte in Mureck ein stark gebautes einstöckiges Haus und jenseits der Mur, nächst der Brücke ein zwei Stock hohes Haus erst neu erbaut. Eine bejahrte Beamtenswittwe führte das Hauswesen. Frau Götze hatte infolge des gemachten Glücks ihre Schwester zum Seiler als Magd postiert. Als der Pole bemerkte, dass Götze so eine brave Frau habe, forschte er nach, ob deren Schwester eine ebenso ehrenwerte und wirtschaftliche Hausfrau vorstellen könne.

     Er ehelichte sie, und als er kinderlos starb, wurde sie Alleinerbin, jedoch mit der testamentarischen Bestimmung, dass sie durch ihre ganze Lebenszeit seinen Namen trage.

     Da sie aber Wittwe nicht bleiben und doch die grosse Erbschaft nicht fahren lassen wollte, und auch wusste, dass der verstorbene Gatte einen ledigen Bruder habe, suchte sie diesen auf und fand ihn in Siebenbürgen als Ingenieur. Die Heirat mit diesem kam glücklich zustande, und die Wiedervermählte trug sonach zeitlebens den Namen ihres ersten Gatten.
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