Freitag, 5. Februar 2010

33. Die vornehme Häckslerin - mein Tanztalent

Einst kam eine vornehme Equipage in die
Gasse, wo unser Haus stand, hereingefahren.
Und da unser Haus das letzte in dieser Gasse und über den Bach nur ein Fusssteg war, und erst jenseits eine Feldstrasse sich befand, rannten die Leute aus den Häusern aus Neugierde, wem der vornehme Besuch gelte. Aus dem Wagen stieg die leutselige Frau Fürstin Rosenberg, welche meiner Frau schon lange einen Besuch versprochen hatte. Meine Frau bezeigte ihre Ehrfurcht und führte die Fürstin in meine Werkstätte, wo ich eben einen Strohstock fertig hatte. Auf diesem probierte die Fürstin sogar eigenhändig Häcksel zu schneiden und nach einigen gelungen Schnitten bestellte sie auch sogleich einen Strohstock für ihre Wirtschaft.

     Ich kann mir zeitlebens etwas darauf einbilden, dass in meiner unscheinbaren Besitzung eine so vornehme Dame Häcksel geschnitten hat!

     (83)  Ich erinnere mich auch an das erwähnte mechanische Krippenspiel und machte ein solches in der Grösse nach Verhältnis unserer Räumlichkeiten, damit wir in unser Gasthaus mehr Gäste heranziehen können. Und wirklich verbesserte sich die Gastwirtschaft und die Bürgerfrauen, die sich genierten, bei Tage zu kommen, kamen abends zur Vorstellung bei Kerzenlichte. Kinder zahlten 1 bis 2 Kreuzer, Erwachsene 3 bis 4.


     Einst musste ich für uns ein neues Bett machen und wünschte hiezu die Füsse von Lärchenholz, da die Wohnung nicht sehr trocken war. Ich ersuchte den sehr humanen Lederermeister Simon Steurer, mir von seiner vor 140 Jahren in seinem Weingarten gezimmerten und nun als ganz defekt abgerissenen und stückweise in seinem Hofe aufgestapelten, lärchenen Presse so viel zukommen zu lassen, als zu vier Bettfüssen nötig wäre. Ich erhielt das Gewünschte mit grösster Bereitwilligkeit, sogar unentgeltlich. Herr Steurer hatte zwei Söhne, wovon der ältere, Anton, Geschäftsführer und guter Waldhornist war.

     Die ältere Tochter Marie besorgte nebst der Mutter, einer sehr resoluten Frau, eine Hauswirtschaft. Die Hübschere, Anna, war etwas stolz und die jüngeren Mädchen, Therese und Hedwig, sowie der jüngere Sohn Franz, waren etwas geistesschwach und nicht so lebhaft. Aber die ganze Familie war höchst gemütlich. Unter der Woche, abends und sonntags nachmittags kamen die Söhne aus achtbaren Bürgerhäusern dahin und unterhielten sich gesellschaftlich untereinander. Und da der alte Herr Steurer gerne lachte, so erhielt er Zutritt zur Gesellschaft, die mit meinen Anekdoten und Spässen ordentlich aufmischte. Mit Gesang und Flötenspiel und Guitarre, wobei der Maler Fritz seine Flöte meisterhaft spielte, wurden die Pausen ausgefüllt.  Wenn ich und der Bindersohn Markus Kirbis ein Duett mit dem Munde pfiffen, kamen alle ausser sich vor Lachen.

     Als ich auf einer Rückreise von Graz in Wildon im Gasthof Pichler übernachtete, wurde gegenüber ein herrliches Quartett gesungen, und da mir die Melodie so sehr gefiel und ich immer ein Freund der Dichtkunst – und ja bald der Antonitag war –, hatte ich eine Gratulation für Anton Steurer zur gemerkten Melodie mehrere Strophen in Reimen verfasst, welches Gedicht dann von den Lehrersgehilfen einstudiert und als Quartett unter Flötenbegleitung des Malers Fritz am 12. Juni abends vor dem Steurerschen Hause gesungen wurde und viel Beifall fand.

    (84)  Mit der Zeit hatte der Kammerdiener des Fürsten Rosenberg zu Freudenau das dortige hübsche und gemütvolle Zimmermädchen Johanna geheiratet und die Taverne übernommen. Auf Wunsch dieses neuen Tavernenwirtes hatten die lustigen jungen Murecker im Fasching eine Fahrt dahin beschlossen. Auf 12 Wägen hatten 48 Personen Platz genommen. Auf jedem Wagen war eine Person maskiert, und zwar ich auf einem als Zauberer. Das im einsamen Schlosse Freudenau oft von Langeweile geplagte fürstliche Ehepaar fuhr uns eine Stunde weit entgegen, stellte sich dann in der Equipage in Mirtsdorf an der Strasse auf und liess uns vorbeidefilieren und schloss sich dann dem Zuge an.

     In der Nähe der Taverne waren Fürstin und Fürst uns vorausgefahren, um sich dort wieder aufzustellen und uns vorbeidefilieren zu lassen. Wir amüsierten uns bei Gesang und eigener Musik, hatten Krapfen und süssen, neuen Lutienberger als köstliche Labung und fuhren nach berichtigter Zeche von 36 Gulden nach zwei Stunden zurück. Unterwegs aber kehrten wir bei der eine kleine Stunde von Mureck befindlichen Sixt-Mühle ein, wo der sehr gebildete und freundliche Eigentümer Ferdinand Sixt eine Gastwirtschaft betrieb und im sehr geräumigen Saale oft Gesellschaftbälle abhielt. Wo nur immer eine Unterhaltung stattfand, mussten mich die Teilnehmer wegen meiner Faxen und Bajazzo-Beweglichkeit dabeihaben, mochte ich wollen oder nicht. Und ich hatte das Gute, dass ich bei meiner Genügsamkeit fast immer zechfrei gehalten wurde.

     Mich beherrschte auch das sonderbare Geschick, dem Tanze leidenschaftlich zu huldigen. Wenn ich von der vielen anstrengenden Arbeit noch so müde war und nur eine Drehorgel oder Maultrommel hörte, so lebten alle Sehnen und Nerven frisch auf. Sehr oft erhielt ich wegen meiner Tanzlust von meiner Gattin, der guten treuen Seele, die Frage, wann ich denn einmal gescheit werden würde, worauf ich stets erwiderte: «Lieber Schatz, lass mich freuen, wer weiss, wie lange es dauert und es wird auch vergehen!».


     Als beim Sixt wieder Gesellschaftsball war, hatte ich eben eine schon mehrere Tage andauernde Kränklichkeit und musste meine Teilnahme am Balle absagen. Da war aber alles Entschuldigen und Protestieren vergeblich. Kaufmann Kolletnik kam mit seinem gedeckten Wagen und ich musste mitfahren. Am Balle aber waren lauter ledige Tänzer und Tänzerinnen versammelt. Nur ich und die Lederermeistersgattin, Frau Hammer, ein Kind der Liebe einer Pfarrersköchin von Gnas, waren die einzigen Verehelichten. Sie war von einnehmender Wohlgestalt mit zuckersüssen Blicken, und wir beide tanzten vergnügt und heiter  (85)  miteinander, denn jeder Tänzer war mit einer Tänzerin versehen.
    
     Als Ballkönigin war die Schulmeisterstochter von Halbenrain gewählt, ein äusserst niedliches, liebes Mädchen und vortreffliche Chorsängerin. Ihr wurde allseits, besonders von Herrn Tschebull, Verwalter der Herrschaft Obmureck, besondere Verehrung bezeugt. Nachdem ich beim Tanze sehr in Schweiss geriet, kam ich vollkommen gesund nach Hause.

     Wir machten einst auch auf 20 Schlitten eine Fahrt nach Spielfeld und kehrten nach Rückfahrten auch in Strass ein. Überall wurde musiziert, gesungen und gezecht, und alle Mitfahrenden waren mit von mir aus Lindenholz verfertigten Nasen versehen, worüber sehr viel gelacht wurde.
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