Freitag, 19. Februar 2010

40. Theraterspiel und Mauschlereien

    Von 1813 bis 1818 war ein Herr namens Karl Friedrich Domeratius Eigentümer des Gasthofes zum Goldenen Ross in Graz, Maria-Hilfer-Strasse. Er war ein begeisterter Theaterliebhaber, dass er sogar das Grazer Theater in Pachtung übernommen hatte aber dabei ganz einging. Er zog dann mit einer Schauspielerbande als Direktor im Lande herum und kam, als ich das Gasthaus noch hatte, mit seiner Gesellschaft von Radkersburg nach Mureck und spielte hier von November bis Ostern. Direktor samt Frau und mehrere Mitglieder, darunter der sehr brave Regisseur und Balettmeister Bauer und Komiker Neurather wohnten im Brauhause. Die ganze Gesellschaft benahm sich ganz anständig und machten trotz schwachem Einkommen keine Schulden. Zwei Lehrer, dann Brüder der musikalischen Schusterfamilie Amschel bildeten gratis das Orchester, wobei ich dann und wann mit der Flöte mithalf.


     Als ich ein fettes Schwein geschlachtet hatte, wollten wir den im Bräuhause wohnenden armen Komödianten eine Wohltat zukommen lassen und legten in einen breiten Tragkorb einen Laib Brot, darauf einen halben Schweinskopf. Der ganze Korb wurde mit Erdäpfeln gefüllt und darauf noch mehrere Blut- und Leberwürste gelegt. Das Ganze trug dann des Schlossers Magd in das Bräuhaus mit der Weisung, für das dort wohnende Theaterpersonal, worunter ich jedoch nicht auch den Direktor gemeint hatte. Gleich darauf jammerte mir der Bauer vor: «Ach lieber Herr, Sie haben es uns doch so gut gemeint, aber zufällig war die Frau Direktor zugegen und schüttete alles in ihren Reisekoffer», der zugeich als Speisekammer diente.

     (99)  Tröstend versprach ich, schon noch etwas zu geben und packte wieder den Korb voll wie früher. Bauer, der in seiner Humanität für alle Kollegen sorgte, übernahm selbst den Transport des zweiten Korbes. Frau Neurather kam dann täglich und bat immer um einen halben Seitl  Weizengries, welchen diese bescheidene, nicht mehr junge Dame, stets erhielt. Wir hatten es ja und taten gar manches aus Gutherzigkeit.

     Bauer bat den Fleischer Burghart, er möge erlauben, in seinem grossen Walde jenseits der Mur einige Prügel zusammenzuklauben, was auch gestattet wurde. An einem lauen Tage sammelte Bauer das ganze Personal samt Weiber und Kinder, zusammen dreissig Personen, und zog mit ihnen in den Wald. Dann bat Bauer: «Oh, lieber Burghart, wir waren alle so fleissig, sind aber zu schwach, die Prügel selber nach Hause zu schleppen.» «Was, wollt Ihr gar Ross und Wagen haben?» Eltliche anwesende Gäste sprachen zu Gunsten des Balettmeisters, weil er gar so schön bitten könne. «Nun, meinetwegen» sagte Burghart, «Seppl, spann ein zweites Ross!» und Bauer erwiderte: «Ach bitte, nehmens drei!» Darauf Burghart: «Oh Gsindel, das auch noch!» – und bewilligte drei Pferde. Hinter einer grossen Fuhre kam das ganze Volk dann im Gänsemarsch und wo ein Mitglied wohnte, wurde eine Portion abgeworfen.

Nach Ostern zog die Gesellschaft nach Judenburg und die dortigen Gymnasiumsschüler waren die bedeutendsten Theaterbesucher. Als aber der Gymnasialdirektor erfuhr, dass einige Schüler mit den Theaterprinzessinnen Heimlichkeiten hatten, verbot er allen Schülern den weiteren Besuch des Theaters, wonach infolge schlechter Geschäfte die Gesellschaft nach Knittelfeld wanderte und sich dort wegen Mangels an Einkommen auflöste. Komiker Neurather kam nachher allein nach Mureck, wo er einige Zeit mit Kartenkünsten und Deklamationen sich Unterhalt verschaffte.

     Von ihm erhiel ich die Geschichte «Der Jude und der Offizier» oder «Der Wechselfresser», welches Stück ich nachmals unzählige Male deklamierte. Neurather erzählte, dass der Direktor Domeratius in Knittelfeld an Hungertyphus gestorben sei. Im Herbst 1837 erhielt ich von meinem Kanzlei-Chef drei Tage Urlaub und machte den acht Stunden weiten Weg nach Pettau, wo zu grossen Manövern 14'000 Mann Soldaten versammelt waren. Ich hatte zu solchen Manövern besondere Vorliebe. Beim Verwandten meiner herzigen Gattin, dem vulgo Spekthörl Hafnermeister in Pettau hatte ich die beste Unterkunft.

     Herr Grundbuchführer Benedikter – gichtleidend – wollte auf einen Monat in ein Bad.  (100)  Ich stellte ihm eine Erklärung aus, dass ich in seiner Abwesenheit alle seine Geschäfte in der Kanzlei besorgen werde. Mein Certifikat wurde vom k. k. Kreisamt genehmigt, und er erhielt Urlaub. Weil er aber auch Einquartierungs- und Vorspann-Kommisär war, ersuchte ich ihn um Unterricht für solche Fälle.

     Er meinte aber, es werde in dieser Zeit nichts vorkommen. Es kam aber doch vor. Ein Husaren-Wachtmeister erschien mit der Weisung, ihm in eineinhalb Stunden als Vorspann nach Radkersburg 14 Wägen, eigentlich nur 8 beizustellen. Auf meine Frage, wie dies zu verstehen sei: 14 oder 8, sagte er: «Das ist ganz einfach, statt auf vorgeschriebene 14 Wägen kommt die Bagage auf 8 Wägen.»


     Der Amtsdiener besorgte eilig die Herbeischaffung der Fuhrwerke. Der Wachtmeister stellte die Bestätigung über 14 beigestellte Wägen aus und ich musste über die Bezahlung von 14 quittieren. Als er von der Differenz von 5 Gulden die Hälfte auf meinen Tisch legte und ich dagegen protestierte, sagte er: «Das sehe ich wohl, dass Sie ein Neuling sind!» und entfernte sich schnell mit der Zurücklassung der 2 Gulden. Von Radkersburg bis Luttenberg und so weiter machte er es gewiss ebenso. Nun war es mir auch erklärlich, auf welche Art der erwähnte Fuhrwesen-Korporal Fledersbacher zu seinen zwei Uhren kam. 
.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen