Samstag, 6. Februar 2010

34. Eine Weinprobe mit Folgen

     Eine kleine Stunde von Mureck aufwärts ist die Gemeinde Weitersfeld mit einer Seil-Überfuhr über die Mur. Von dort über einer Berggemeinde Zellnitz war ein Bauer und Weingartenbesitzer namens Heiling, welchem 1834 nacheinander zwei Winzereien und dann ein Bauernhaus abbrannten und da alle hoch assekuriert war, konnte er sein stattliches Wohnhaus herstellen, wozu ich ihm den Bauplan verfertigte. Mein Nachbar, Schlosser Peter Wach, lieferte die Schlosserarbeiten. Auf Einladung des Heiling, zu ihm zu kommen und seine 34er Weine zu kosten gingen ich und Wach am Tage vor Weihnachten bei gelinder Witterung nach vollbrachter Fahrt über die Mur auf dem eisigen Ufer dahin. Heiling gab uns von der Qualität zu kosten; der Wein vom Rossbacher Gebirge war besonders vortrefflich.

     Da ich jedoch die Wirkung des 1834er schon gut kannte, schlürfte ich aus jedem dargebotenen Glase nur einige Tropfen. Wach aber stürzte jedes Glas voll hinunter, daher er sogleich benebelt wurde und mir die Besorgnis kam, wie wir nach Hause kommen würden. Als es abends zu dunkeln begann, suchte ich den Schlosser Wach zum Rückmarsch zu bewegen, damit wir, ehe es Nacht würde, über die Mur sein könnten. Heiling aber meinte, es wäre noch Zeit und sein Sohn Natzl würde uns mit dem Schinakl schon hinüberbringen. Ich verabschiedete mich, ging vom Keller vollkommen nüchtern weg und setzte mich im Fahrzeug nieder. Wach aber ging trotz meines Zurufens eine Strecke aufwärts zum Strome und fiel hinein. Zufällig trug ihn die Strömung zu mir. Als ich mich aus dem Fahrzeug neigte, schrie der Heiling-Sohn, der vom ganzen Vorfalle in der Abenddämmerung nichts merkte und eben das mit Ketten abgesperrte Schiff loslöste:  (86)  «Was treibt ihr denn, Ihr werft ja um!» Und da erst sah er die todbringende Bescherung und kam mir zu Hilfe, den ohnehin schweren, jetzt ganz durchnässten und heftig zitternden Schlosser in den Schinakel zu bringen.


     Ich zog den Betrunkenen fest an mich, und als wir vom Fährmann Natzl auf einer Schotterbank oder Insel in der Mur aufgesetzt wurde, hatte ich viele Mühe, meine eben durch eingetretene Kälte an den Rock des Schlossers festgefroren Rock loszubringen. Ich ersuchte den Natzl, er möge uns doch die Richtung zeigen, um so schnell wie möglich vom Wasser wegzukommen. Darauf sagte er grob: «Ei was, Ihr werdet den Weg wohl finden, ich muss selber trachten, nach Hause zu kommen», und lenkte sein Schiff zur Rückfahrt.

     Jenseits dieser Insel war ein mächtiger Arm der Mur, und bei der inzwischen eingetretenen vollen Nacht suchten wir einen Übergang auf das linke Ufer und fanden glücklich einen aus einem Baumstamm hochgebauten Steg ohne Geländer. Der Schlosser torkelte trotz seines Rausches glücklich hinüber. Ich aber musste wegen meiner Schwindelhaftigkeit auf dem Stege reitend hinüberrutschen, worüber der Schlosser ausserordentlich lachte.

     Wir waren nun geborgen und ich von der Angst befreit, dass das Schicksal unseren Tod durch Ertrinken oder Erfrieren beschlossen habe. Aber von hier bis nach Hause hatte ich mit dem höchst beduselten Schlosser eine fürchterliche Plage. Ich war mit allem Kraftaufwand nicht immer im Stande, ihn aufrecht zu halten. Mehr als zwanzigmal fiel er zu Boden und manchmal riss er mich mit. Als er die Miene machte, liegen zu bleiben, ich ihm aber wieder auf die Beine geholfen hatte, wollte er gar mit gezücktem Messer auf mich losgehen. Ich konnte ihn sicher nicht liegen lassen, da er bei der nächtlichen strengen Kälte gewiss erfroren wäre.
    
Als wir endlich die Brücke ab der Weitersfelder Mühle passierten, ging es mit vielen Beschwerden, jedoch auf besseren Wegen rascher nach Mureck. Bei dem Hause des Schlossers, welcher immer lärmte, angelangt, kam dessen Gattin zur Stiege und rief äusserst roh von oben herab: «Seids schon da, Ihr Saumägen?» Ich ersuchte sie, ihren Mann sogleich zu Bette zu bringen. Kaum war ich zu Hause vom Erzählen der heutigen Begebenheit fertig, überkam mich eine Unpässlichkeit, so dass ich erbrechen musste. Der Schlosser kam nach zwei Stunden Schlaf ganz nüchtern zu uns, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen und lachte aus vollem Halse, als er von meiner Übergabe hörte, und beteuerte, dass ich im Ganzen höchstens einen halben Seitel Wein zu mir genommen hätte.

     (87)  Dieser Schlosser war ein Tiroler. Wie er erzählte, hatte er damals in Aussee als Geselle gearbeitet, als der Erzherzog Johann sich in die dortige Postmeisterstochter, die viel gepriesene Oberascher Nani, verliebte. Dieser Schlosser war sehr dem Suff ergeben, sass oft bei Tag bei uns zu Gast und sagte öfters, wenn er mich so eifrig bei der Arbeit sah: «Ach, wenn nur ich auch so fleissig sein könnte!»

     Sein ältester Sohn Hermann, ebenfalls Schlosser, war ein vortrefflicher Waldhornist und überaus glücklich, als er einst ein solches Instrument mit Klappen erhielt. Nach vollbrachter Militärzeit bei der Musik-Bande wurde er Schlossermeister in Friedau. Die hübsche Schwester dieses Hermann, Cezilia, wurde in Graz für das Theater ausgebildet, hatte eine kräftige, schöne Stimme, trat in Lustspielen und Possen auf und sang bei der Zauberflöte die Königin der Nacht. Aber ein ungenannter Kritiker referierte, dass Czilia, unter dem Theaternamen Wachmann nur in der Rolle einer Fratschlerin am Platze wäre.

     In Brünn hatte ihre Liebschaft mit einem Offizier traurige Folgen; denn ihr vorzeitiges Verlassen des Wochenbettes brachte ihr den Tod. Nach einigen Jahren kam das zurückgelassene Mädchen zu einer Putzmacherin in Graz in die Lehre.
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