Samstag, 20. Februar 2010

41. Das herzliebe Kind hat ausgelitten

     Als ich oft nach Graz kam, sah ich sehr viele gefangene Russisch-Polen, lauter grosse, schöne Männer, gegen Süden transportieren, konnte aber nicht erfahren, wohin. Wie ein bayrischer Prinz zum König von Griechenland erwählt wurde, sind von München sehr viele, auf drei Jahre angeworbene Freiwillige, auch sehr starke, feste Männer durch Graz gekommen, von welchen ich später mehrmals recht elend aussehende Gestalten – den bayrischen Helm am Kopfe – zurückkommen sah.

     In Graz erzählte die zufällig von Wien anwesende Frau Fels, dass die Pepi Schwarzmann, die mir so herzlich zugetan war, im Orte Weinhaus einen Spengler, Czechen, geheiratet, von diesem aber so viele Misshandlungen zu erdulden hatte, dass sie aus Kränkung bald darauf starb. Bei dieser traurigen Nachricht kamen mir unwillkürlich häufige Tränen. Sie hätte wohl zarteste Behandlung verdient.

Das unerklärliche Geschick erteilte unserer eineinhalbjährigen Rosina einen gewaltigen Keuchhusten, nebst Fraisen und es war für uns alle recht schmerzlich, das arme Kind so leiden zu sehen. Da alle Hilfe der Ärzte vergeblich war, wollte ich das Sterben des Kindes nicht mit ansehen. Ich ging nach Graz, und als ich übern Schemerl, dann Feldbach und Gleichenberg am 4. Tag zurückkam, war das Kind noch am Leben, als wenn es nur auf mich gewartet hätte.  (101)  Auf mein Verlangen gab mir das liebe Kind das Händchen aus der Decke, und bald darauf bei einem neuerlichen Fraisenanfall hatte es ausgelitten. Wir weinten bitterlich um das herzliebe Kind. Kurz darauf starb auch mein Vater, 66 Jahre alt. Ein Jahr vorher hatte er uns bei Gelegenheit eines Kuhkaufes besucht.

     Im Hause des alten Herrn Keller in Mureck wohnte gegen billigen Zins die ehemalige, sehr reiche und geizige Pfarrersköchin Margarethe Götz. sie konnte ihren zahlreichen Schuldnern zureden, dass dieselben die Interessen rechtzeitig entrichten sollten, damit sie leben könne; denn nach ihrem Tode seien ihnen die Kapitalien ohnehin geschenkt. Sonach waren die Schuldner beflissen, die Zinsen gehörig zu bezahlen und ihr überdies Victualien (Lebensmittel) zu verehren, dass sie für sich fast nichts einzukaufen hatte.

     Dem kleinen Mädchen des Hausherrn, welches für den Geizhals alle Gänge zu verrichten hatte, gab sie aus besonderer Gnade täglich eine halben Apfel. Wie gerne möchte die Alte Backhendl essen, aber ein ganzes war ihr zu viel und ein halbes konnte sie nicht abstechen. Als sie an einer bösen Krankheit starb, blieb die Inventur-Kommission aus Furcht vor Ansteckung vor der Wohnung draussen am Gange und der Hausherr trug alle Hinterlassenschaften, Wertpapiere, Pretiosen etc. hinaus zur Kommimission. Als sich diese dann über die Stiege hinab entfernte, fand der gewissenhafte, mit 8 Kindern gesegnete Herr Kern in einem geheimen Fach noch einen Beutel mit 100 Dukaten, und lief damit den Gerichtspersonen nach. Er musste dennoch die auf seinem Hause für die Götz haftenden Kapitalien bezahlen. Vier Erben, darunter der Syndikus Götz in Leibnitz und Professor Götz in Graz teilten sich in den Verlass. Im Testament der Margarethe Götz waren für die jeweilige Stricklehrerin 5 Gulden bestimmt, welche sonach an meine fleissige Frau entfallen sind.

     Ich beschäftigte mich nebenbei noch immer mit Holzarbeiten. Für den Schuhmacher Landl hatte ich neuartige Keilleisten zu machen, wozu er zu meinem Unglücke – selbst recht verwedelte Hagenbuchen-Holzstücke beistellte, so dass ich daher mit mehr Anstrengung hantieren musste.

     Da kam im September 1836 das Unglück, dass mir in der Kanzlei während des Schreibens die Feder aus der Hand fiel, und wahrscheinlich infolge Überanstrengung bei obiger Leistenarbeit sich im rechen Oberarm grosse Schmerzen fühlbar machten. (102)  Die Schreiberei ging nur mit grösster Mühe vonstatten und alle möglichen kostbaren Salben, Umschläge und teuren Essenzen waren nicht imstande, meine leichte, flinke Hand wieder herzustellen oder die Schmerzen tu tilgen. Die ärztliche Hilfe und Mittel kosteten über 100 Gulden.

     Als der Herr Fürstbischof von Seckau einst Kirchenvisitation abhielt, sollte er auch nach Mureck kommen. Da ersuchte mich der Herr Pfarrer zu veranlassen, dass drei Triumphbögen erbaut werden, und weil ich schon alles könne, musste ich mehrere kirchliche Embleme malen, um diese auf den Triumphbögen oben und an den Säulen anzubringen. Nach meiner Zeichnung und unter meiner Leitung wurden durch Zimmerleute und Taglöhner die drei Pforten aufgerichtet – der grösste am unteren Ende des Marktes, dann einer am oberen Ende und der dritte nahe der Kirche. Die ganze weibliche Jugend hatte vollauf zu tun, aus Reisig Girlanden und Kränze zu winden.

     Mir aber war der Todesschreck beschieden. Kaum war alles fertig, lief ich nach Hause und wollte mich mit besseren Kleidern versehen. Als der Einzug stattfand, erhob sich ein so gewaltiger Sturm, dass ich befürchtete, das entfesselte Element reisst den Oberteil der Triumphpforte herab, wodurch mehrere Personen hätten den Tod finden können. Am heftigsten wütete der Sturm, als eben der Bischof durch die Pforte ging. Ich sah dies alles durch die Jalousien und hatte dabei Todesängste auszustehen.
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