Montag, 15. Februar 2010

38. Die Herzogin Berry und ihr Rökl






  Als die Herzogin Berry vom Grafen Wimpfen das Schloss Brunnsee samt Weinberg kaufte, wurde Brunnsee prachvoll restauriert und fast königlich eingerichtet. Die Amtskanzleien wurden in das eine viertel Stunde entfernte Schloss Weinburg verlegt und Brunnsee nur zum Aufenthalt der Herzogin samt Gefolge, Dienerschaft und zahlreichen französischen Emigranten hergerichtet.




Der 1. Mai 1837, an welchem die Abreise der Herzogin von Graz bestimmt wurde, war ein prachtvoller, sogar heisser Tag und für ihre grundherrlichen Untertanen als Festtag angeordnet. (95)  Jeder musste im Sonntagsstaate erscheinen und von Brunnsee eine Stunde gegen Lichendorf Spalier bilden. Von Puntigam bei Graz bis hierher waren Böller aufgestellt. Der erste Schuss zeigte ihre Abfahrt von Graz an und beim letzten Gekrache in der Nähe des Dornbauer in Weitersfeld war alles zum festlichen Empfang bereit. Auch von Mureck und noch weiter strömten Neugierige heran. Ich ging – die kleine, noch nicht 6 Jahre alte Marie auf der Achsel tragend – dahin, wo wir bis Ende des prachtvollen Feuerwerks um 11 Uhr nachts verweilten und bei herrlicher Mondbeleuchtung nach Hause kamen. Wir hatten den wahrhaft fürstlichen Einzug und den darauffolgenden Tumult mit Rauferei und Prügelspenden mitangesehen.

     Auf einer Wiese waren zur unentgeltlichen Bewirtungder Durstigen 7 Halbstartin Wein gelagert, wobei es zu grossen Exzessen kam, da jeder beim Fass der Erste sein wollte. Mehrere Mädchen trugen vom Schlosse her auf dem Kopfe grosse Körbe voll Brotstücke, und hinten nach kam der Gerichtsdiener mit einem grossen Bund Haselstöcke, der auf die mit Ungestüm nach Brotkörben langenden diese zu kleinen Splittern zerschlug, bei welchem wüsten Lärm sehr viele Brotstücke neben dem Wege in den Teich fielen und zertreten wurden.

    Als es Abend wurde nahm uns der Grundbuchführer Benedikter in einen ebenerdigen Salon, wo für die bessere Klasse und Honoratioren die Tafel ausgiebig mit Wein, kalten Speisen, Bier, Käse, Tabak und Zigarren hergerichtet war. Erst jetzt konnten wir uns laben. Zwei grosse Militärmusikbanden spielten bis 11 Uhr.

     Eines Tages stieg der beim Glaser Moser wohnhaft gewesene junge aus St. Pölten gebürtige Leutnant von dem inzwischen bequartierten Fürsten Windischgrätz Cheveaux-Regimente mit noch zwei Offizieren auf einen offenen Wagen, und vier Säbel wurden mitgenommen. Der junge Leutnant kam später mit verbundenem Arm zurück. Andern Tages hörten wir die ganze Geschichte. Der Gerichtverwalter Tschebull im Schloss Weinburg gab nämlich daselbst einen Ball für lauter Vornehme und Offiziere der Umgebung. Herr Petritsch, Schlossinspektor der Herzogin Berry, kam jedoch eigenmächtig und uneingeladen zu obigem Ball. Und da Petritsch – ehemals Wachtmeister – den unter ihm als Kadett gestandenen St.Pöltner sehr streng behandelte, wollte dieser nun als Offizier seine Rache an Petritsch ausüben, indem er ihm sehr barsch die Tür zeigte. Als Petritsch an den Offizier die Frage stellte, ob er des Verwalters Hausknecht, und als solcher angewiesen sei, ungeladene Gäste hinauszuschaffen, wurde Petritsch vom Offizier zum Säbelduell gefordert, wobei Petritsch Sieger blieb, jedoch seiner Stelle entsagen musste.

     (96) Es ist allbekannt, dass die Herzogin Berry auf ihrer Flucht aus Frankreich nahe der Schweizer Grenze von einem Bäckerjungen vor ihren Verfolgern versteckt und dann über die Grenze gerettet wurde. Die Herzogin nahm ihren Retter namens Rökl ganz zu sich. Er wurde dann ihr Sekretär und Schlossinspektor von Brunnsee. Er wusste sich grosses Vermögen anzusammeln und benahm sich sehr übermütig. Jedes weibliche Wesen musste ihm zu Willen sein und jeden Arbeiter verkürzte er bei der Auszahlung, wie er nur konnte. Als er einst an einem Karfreitag auf dem Baugerüst mit den Maurern räsonierte, sagte einer derselben: «Heute wäre wohl ein Tag zum Kirchgehen und nicht zu arbeiten.» Da schimpfte der Rökl über ihre Faulheit und die Arbeiter meinten unter sich: «Der wird uns nicht mehr oft heraufkommen.» Und sie machten den Aufgang zum Gerüst recht gefährlich. Als Rökl andern Tages wieder hinaufstieg, stürzte er mit dem Gerüst hinab und brach sich dabei den Fuss. Nach dessen Heilung verordnete der Arzt einen vierzehntägigen Aufenthalt in einem Badeorte. Während dieser Zeit nahmen sich alle von Rökl Betrogenen und Verkürzten die Kuraschie, ihre Beschwerden bei der Herzogin vorzubringen.

     Als Rökl vom Bade heimkehrte, gab es grosse Debatte, wobei die Herzogin ihm höchst erregt mit ihrem Regenschirm ins Gesicht schlug und ihn dann seiner Stelle enthob, welche dann der erwähnte Petritsch erhielt. Rökl wohnte nachher lange Zeit in Graz bei Herrn Tischlermeister Dettelbach, und es ging die Sage, dass dessen Zubau zum Hause nächst der Radetzkybrücke vom rökel'schen Gelde herrührte.
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2 Kommentare:

  1. Lieber Eberhard! Du machst das einfach großartig. Ganz toll! Dita

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  2. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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